Reden am Holocaust-Gedenktag Yom Hashoah

Reden am Holocaust-Gedenktag Yom Hashoah

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    Im Folgenden finden Sie die Reden unserer Diplomaten, welche sie an Gedenkanlässen zum Yom Hashoah in Genf und Bern gehalten haben.​
  • Michael Rom
     

    Rede von Jacob Keidar, Botschafter des Staates Israel in Bern

    Holocaust-Gedenktag Yom Hashoah, 2. Mai 2019, Bâtiment des Forces Motrices, Genf

    Veranstaltung des Comité Intercommunautaire pour l’Organisation de Yom Hashoah

     

    Sehr geehrte Frau Fontanet, Staatsrätin des Kantons Genf, sehr geehrte Frau Salerno, Mitglied des Verwaltungsrats der Stadt Genf, sehr geehrte Frau Brunschwig Graf, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, liebe Rabbiner, sehr geehrte Botschafter, sehr geehrte Führer und Mitglieder der jüdischen Gemeinde, sehr geehrte Damen und Herren,

     

    Es ist mir eine Freude, heute am Holocaust-Gedenktag zu Ihnen zu sprechen, und ich danke Ihnen für die Einladung.

    Es ist mir eine besondere Ehre, in Anwesenheit von Überlebenden des Holocaust und ihrer Familien zu sprechen.

     

    Der Gedenktag für die Shoah erinnert an die Tragödie der Shoah, die sich während des Zweiten Weltkriegs auf europäischem Boden vor nur zwei Generationen ereignet hat.

    Wir gedenken dem Völkermord, der zum Tod von sechs Millionen Juden führte, einem Drittel der gesamten jüdischen Bevölkerung damals. Mehrere Millionen Menschen wurden Opfer der Nationalsozialisten, aber die Juden waren die Menschen, die vom nationalsozialistischen Regime und seinen Helfern systematisch zur völligen Vernichtung verurteilt wurden.

     

    Die Knesset wählte als Datum des Gedenkens den Tag des Warschauer Ghettoaufstandes am 27. Nisan im hebräischen Kalender. Der Zweck des Aufstands war es, sich den Aktionen des nationalsozialistischen Deutschland zu widersetzen, die restliche Bevölkerung aus dem Ghetto in die Konzentrationslager Majdanek und Treblinka zu transportieren. Der Aufstand begann am 19. April, als sich die Menschen im Ghetto den Befehlen des SS-Brigadier Jürgen Stroop widersetzten. In der Folge befahl er, das Ghetto niederzubrennen, Block für Block. Insgesamt starben 13.000 Juden, von denen etwa die Hälfte lebendig verbrannt oder erstickt wurde. Es war der grösste Aufstand der Juden während des Zweiten Weltkriegs.

     

    Der Zweck dieses Tages ist es, an unsere Familien zu erinnern, die in der Shoah umgekommen sind, und den Opfern der Shoah und dem jüdischen Widerstand zu gedenken. Ziel ist es auch, das Bewusstsein für die Geschichte der Shoah zu schärfen und zukünftige Akte des Völkermords zu verhindern. Es ist auch wichtig, sich an diejenigen zu erinnern, die Mut gezeigt und jüdische Leben gerettet haben.

     

    Nach meiner Ankunft in Bern habe ich durch den polnischen Botschafter in Bern, Jakub Kumoch, und dem polnischen Honorarkonsul in Zürich, Markus Blechner, von der Berner Gruppe erfahren. Diese Gruppe bestand aus Diplomaten, Mitgliedern der polnischen Botschaft in Bern und jüdischen Organisationen. Sie haben mittels südamerikanischen Pässen viele jüdische Leben gerettet, und ich habe mich gefreut zu erfahren, dass Yad Vashem kürzlich beschlossen hat, Konsul Konstanty Rokicki als Gerechten unter den Nationen anzuerkennen und seinen beiden Kollegen in der polnischen Botschaft, Aleksander Ładoś, dem Missionsleiter und Stefan Ryniewicz, einen Dankesbrief zu überreichen. Wir sollten ihr Andenken schätzen und uns von ihren edlen Taten inspirieren lassen.

     

    Für Menschen wie mich, die zweite Generation der Überlebenden des Holocaust, hat dieser Gedenktag eine besondere Bedeutung. Mein Vater, ursprünglich aus Lodz, war 18 Jahre alt, als Deutschland 1939 in Polen einmarschierte. Er verlor seine ganze Familie - seine Eltern, vier Schwestern und vier Brüder. Er überlebte, schloss sich den Partisanen nach der nationalsozialistischen Invasion der Sowjetunion an und trat später, 1943, der Roten Armee bei und kämpfte gegen die Nazis bis zu ihrer endgültigen Niederlage.

     

    Im Gedenken an die Familie meines Vaters und alle Opfer möchte ich unseren ehemaligen Präsidenten Shimon Peres zitieren.

     

    "Sechs Millionen unseres Volkes leben in unseren Herzen. Wir sind ihre Augen, die sich erinnern. Wir sind ihre Stimme, die schreit."

    Ich halte es für wichtig, die Erinnerung der Shoah zu bewahren und zukünftigen Generationen zu lehren, denn in vielen Ländern nimmt der Antisemitismus und die Angriffe auf jüdische Gemeinschaften zu.

     

    Im Gedenken an alle Opfer der Shoah wollen wir uns zusammenschliessen, um eine bessere Welt zu schaffen, in der die Menschen einander respektieren, einander bei Not helfen und in Frieden leben.

     

     

     

    Rede von Michal Hershkovitz, Stv. Missionsleiterin der Botschaft in Bern

    Gedenkanlass zu Yom Hashoah und dem Siegestag über Nazi-Deutschland, 2. Mai 2019, Gemeindesaal der Jüdischen Gemeinde Bern

    Veranstaltung der Botschaft Russlands, der JGB und der Botschaft des Staates Israel

     

    Sehr geehrte Holocaustüberlebende, sehr geehrter Herr Friedländer, sehr geehrter Herr Stellvertretender Missionsleiter Kudryavtsev, sehr geehrter Herr Rabbiner Kohn, sehr geehrter Herr Winter, Ihre Exzellenzen und Mitglieder des diplomatischen Corps, liebe Mitglieder der jüdischen, israelischen und russischen Gemeinschaft, meine Damen und Herren,

     

    Heute ist Yom Hashoah. Heute erinnern wir uns an den Holocaust, den Genozid der europäischen Juden, welcher vor 74 Jahren begangen wurde. Wir erinnern uns an die Schrecken des Holocaust. Wir gedenken der sechs Millionen Juden, ein Drittel der weltweiten jüdischen Bevölkerung in jener Zeit, und an die  vielen anderen Opfer, welche vom Nazi-Regime und dessen Komplizen ermordet wurden.

     

    Das Datum des Holocaust-Gedenktages ist der Tag des Aufstands im Warschauer Ghetto im Jahr 1943. Die verbliebene Ghetto-Bevölkerung widersetzte sich den Bemühungen des nationalsozialistischen Deutschland, sie in das Vernichtungslager Treblinka zu transportieren. Der SS-Kommandant befahl darauf, das Ghetto niederzubrennen, Block für Block. Insgesamt wurden 13.000 Juden ermordet, etwa die Hälfte von ihnen sind lebendig verbrannt oder erstickt. Es war die grösste einzelne Revolte der Juden während des Zweiten Weltkriegs.

     

    Die jüdische Tapferkeit, die sich im Aufstand des Warschauer Ghettos zeigte, manifestierte sich auch an anderen Orten. Später werden wir mehr darüber erfahren, was im selben Jahr, 1943, im Vernichtungslager Sobibor geschah.

     

    Yom Hashoa ist ein Tag der Erinnerung und ein Tag der Besinnung. In diesem Jahr haben wir in der israelischen Botschaft in Bern beschlossen, uns der Jüdischen Gemeinde und der russischen Botschaft in Bern anzuschliessen, um gemeinsam des Holocaust zu gedenken und uns an den Tag des Sieges über die Nazis zu erinnern.

     

    Wir sind heute hier versammelt, um über die abscheulichen Ereignisse des Holocaust nachzudenken und um dessen Bedeutung zu verstehen, die Erinnerung aufrechtzuerhalten und über diese antisemitischen Taten in unserer heutigen Zeit aufzuklären.

     

    Wir leben heute in einem neuen Jahrhundert, die Welt verändert und entwickelt sich vor unseren staunenden Augen kontinuierlich weiter; neue Kommunikationskonzepte wurden entwickelt und die Grenzen zwischen  Ländern und Kulturen verschwimmen im globalen Dorf immer mehr. Für allzu viele scheinen die Ereignisse des letzten Jahrhunderts eine veraltete Geschichte zu sein, weit entfernt von ihrem heutigen Alltag,  sie können weder Verständnis geschweige denn Interesse dafür aufbringen.

    Jedoch sollte die Erinnerung den denkenden Menschen als Kompass begleiten, unabhängig von Zeit und Ort. Erinnerungen, Gedenken und Geschichtsschreibung ermöglichen es unserer Zivilisation, aus Erfahrungen zu lernen, sich zu verbessern und zu korrigiern. Ohne Erinnerung wäre unsere Kultur begrenzt.

     

    In Israel werden Kinder sehr früh alljährlich mit den Lehren über den Holocaust als Teil der jüdischen Geschichte konfrontiert. Kinder in der Kindertagesstätte hören die zweiminütige Sirene und sie  stehen am Gedenktag des Holocaust still wie alle anderen Menschen um sie herum. Später, in den Vorschulen, werden sie versuchen, die Bedeutung der Zahl sechs Millionen zu verstehen. Langsam, von Jahr zu Jahr, sammeln wir immer mehr Wissen an , bis die Erinnerung Teil unserer DNA wird. Exkursionen zu Holocaust-Gedenkstätten und Museen sowie Gespräche mit Überlebenden sorgen für ein tieferes Verständnis. Schliesslich reisen wir als Teenager nach Europa, um Konzentrations- und Todeslager zu besuchen. Dort erleben wir die volle Bedeutung der gewaltigen, schrecklichen Narbe in der Geschichte der Menschenrechte, genannt Holocaust. 

     

    Als israelische Diplomatin in der Schweiz, als Mitglied des jüdischen Volkes, anerkenne ich die Bemühungen, welche die Schweiz im Laufe der Jahre bereits unternommen hat, um  über diese schreckliche Zeit der Weltgeschichte, insbesondere auf europäischem Boden, aufzuklären, zu lehren und zu teilen. Ich glaube, dass jedes Land die Zukunft besser meistern kann, wenn es die Vergangenheit akzeptiert, die Geschichte versteht und die Lehren daraus zieht.

     

    74 Jahre sind seit dem Ende des Holocaust vergangen. Wir haben das Glück und die Ehre, heute Abend vier Überlebende des Holocausts bei uns zu haben. Mögen Sie ein langes und glückliches Leben bei guter Gesundheit haben. Viele der Überlebenden des Holocaust erzählen und erzählten ihre Geschichte ihres Ueberlebens. Viele schwiegen. Meine Grosseltern flohen aus Deutschland, um den Nazis zu entkommen, aber ich weiss nur sehr wenig über die Familie meines Grossvaters, der in Berlin blieb und starb. Ich hatte das Glück, die Grossmutter meines Mannes, Fela Goldstein, eine Auschwitz-Birkenau-Überlebende, kennenzulernen. Sie erzählte uns, wie sie zusammen mit einer kleinen Gruppe von Frauen überlebte, die in Auschwitz bei der Sortierung der Kleider arbeiteten. Sie erzählte uns von den Todesmärschen, die ihre Füsse ruinierten, und von den Schmerzen, unter denen sie bis zu ihrem allerletzten Tag litt. Sie erzählte uns nicht, wie sie ihren Mann und ihr Kind während des Holocausts verloren hatte.

     

    Leider starb Fela, als ich mit meinem ältesten Sohn im dritten Monat schwanger war. Meine Kinder lernten Fela nicht kennen und konnten ihre Geschichte nicht aus erster Hand hören, sie fragen, die Geschichte näher erforschen, verstehen und ihren Schmerz spüren. Jetzt ist es unsere Verantwortung und Pflicht, die Geschichten zu erzählen. Es ist unsere Pflicht, uns nicht nur selbst zu erinnern, sondern auch zu ermahnen; nicht nur zu lernen, sondern auch zu lehren. Es ist unsere Verantwortung, die Fackel der Geschichte des Holocausts an die nächsten Generationen weiterzugeben.​