Jom haShoah 2012

Jom haShoah 2012

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    Die Rede von Präsident Shimon Peres am 18.4.12 zum Jom haShoah
     
    Auf meinem Weg hierher wurden die leuchtenden Lichter Jerusalems plötzlich ersetzt durch Feuerfunken, die einst mein Volk verzehrten. Das ist unser Volk, ein Volk der Illumination, ein Waisenvolk. Das sind wir. Holocaust-Überlebende, Bilder des Wiederauflebens, meine Brüder und Schwestern, heute Abend wenden sich unsere Augen denen zu, die heute nicht mit uns sind, und unsere weit geöffneten Augen blicken auf jene, die noch kommen werden.
     
    Während der Feiertage reiste ich durchs ganze Land. Blauer Himmel, blühende Felder, liebenswerte Kinder, hart arbeitende Menschen. Ich fragte mich, von welchen nun nicht mehr existierenden Gemeinschaften sie ursprünglich stammen. Einen Moment lang ersetzte ich Tel Aviv mit Wilna, Haifa mit Bialystok, Degania, Nahalal, Beer Sheva mit Plonsk, Riga, Odessa. Nicht ein einziger Jude blieb dort übrig. Die Öfen des Nazidiktators und seiner Beauftragten brachten Unheil über die Welt und einen Holocaust über mein Volk.
     
    Holocaust-Leugner negieren die Taten ihrer Vorgänger um ihre eigenen Verbrechen zu verdecken. Die Falschheit der Verleugnung wird nicht erlöschen im Feuer der Hölle. Die Beigen gefolterter Leichen, die Verwundeten die in die Todesgräben geworfen wurden, die Öfen, welche die Lebendigen verbrannten. Diese sind Zeugen für immer. Der letzte Atemzug von Kindern in den Armen ihrer Mütter werden weithin alle Menschen entsetzen, bis ans Ende aller Zeiten.
     
    Ich wurde in Vishniev geboren. Die Hälfte der Dorfbewohner kam nach Israel. Die andere Hälfte kam ums Leben. Ich habe gelernt, dass am Sonntag, 30. August, eine dunkle Dämmerung über meine Heimatstadt brach. Die Nazis, die es an sich gerissen hatten, befahren den Juden ihre Sachen zu packen und sich an den Türstufen zu zeigen.
    Die SS-Offiziere gingen an ihnen vorbei, schlugen sie und sagten ihnen, sie sollten weitergehen zur Synagoge. Einer von ihnen schrie „Juden, rettet euch selbst!“. Die Deutschen erschossen jene, die zu fliehen versuchten. Die anderen erreichten die Synagoge, die aus Holz gemacht war Die Türen wurden verschlossen. Alle wurden lebendig verbrannt. Dies war der letzte Tag von Rabbi Zvi Meltzer, meinem Grossvater, meinem Mentoren. Er wurde vom Feuer verzehrt mit seinem Tallith über dem Kopf.
    Dies war der letzte jüdische Tag in Vishniev. Nicht ein einziger Jude blieb am Leben. Ich besuchte Vishniev nach dem Krieg. Es blieb keine jüdische Spur. Kein Haus, keine Synagoge, keine Schule, keinen Friedhof, nur ein Haufen Steine. Als ich dort stand, klang das letzte Kol Nidrei Gebet der süssen Stimme meines Grossvaters in meinen Ohren. Meine Lippen murmelten das Kaddish.
     
    Heute sind zahlreiche Holocaust-Überlebende hier, zusammen mit den Kindern derjenigen Dörfer, die im neuen Israel gebaut wurden. Die Nazis kreierten Todesindustrien, Fliessbänder des Mordes, erstickende Gasanlagen. Nie ist etwas solches in der Geschichte geschehen. So organisiert, so systematisch, so unmenschlich.
    Es passierte in Europa, dem Inbegriff der Aufklärung. Es hatte seinen Ursprung in Deutschland, welches von sich behauptete, Anführer der Kultur zu sein. Aber es war alles nutzlos.
    Die Juden in Deutschland verbesserte dessen Kultur, erhöhten dessen Wissenschaftslevel, bereicherten dessen Wirtschaft, wie das gesamte europäische Judentum.
     
    Wieso identifizierte Hitler sie als grössten Feind? Die Antwort ist klar – die moralische Stärke der Juden war gefährlicher für ihn als die militärische Bedrohung durch seine Nachbarn. Die Nazis fürchteten, dass die jüdische Überzeugung, dass alle Menschen im Bilde Gottes geboren werden, ihre faschistische Lüge, der zufolge sie die übergeordnete Rasse seien, schädigen würden. Sie fürchteten, dass diese prophetische Vision das Nazi-Schwert verbeulen würde.
    Ich bin stolz darauf, ein Erzfeind des Bösen der Nazis zu sein. Ich bin stolz auf das Vermächtnis unserer Väter, die sich dem Rassismus absolut widersetzt. Ich bin stolz auf unsere Überzeugung, dass kein Mensch einem anderen übergeordnet ist.
    Es gibt keine Herrenrasse, nur tiefe Wurzeln.
     
    Ich bin sicher, dass dies so ist, wie unsere Kinder und Grosskinder aufgezogen werden; so wie das Kaddish auf unseren Lippen ist, „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, ist es in ihren Herzen.
    Meine Freunde, eineinhalb Millionen israelischer Bürger sind nicht jüdisch. Wir sind verpflichtet, sicher zu stellen, dass keiner von ihnen je diskriminiert wird aufgrund seiner Nationalität oder Religion. Das ist die Essenz des Staates Israel. Israel ist ein Verteidigungsschild, ein sicherer Hafen und ein grosser Geist. Ich bin überzeugt; hätte der Staat Israel während jener Tage existiert, würden die Dinge anders liegen. Wir zahlten einen hohen Preis, aber wir haben unseren Glauben nicht verloren.
     
    Wir versammelten ungewöhnliche Kapazitäten, welche aus den Tiefen des Holocaust und der Spitze unseres Vermächtnisses hervorgegangen sind. Wir haben uns der Verbesserung der Welt und dem Respekt für die Menschheit verpflichtet.
     
    Die Stärken unserer Nation liegen versteckt in ihrer Geschichte und sind enthalten in den Seelen ihrer Söhne. Wir waren ein Fragezeichen, heute sind wir ein starkes Land. Heute hat die Menschheit keine Wahl; wir müssen aus den Lehren des Holocausts lernen und stark feststehen gegen existentielle Bedrohungen, bevor es zu spät ist.
    Iran ist das Zentrum dieser Bedrohung. Es ist die Mitte des Terrors, es repräsentiert die Bedrohung des Weltfriedens.
    Es gibt keinen Grund, Israels Kapazitäten, diese Bedrohung zu meistern, zu untergraben, ob sichtbar oder unsichtbar. Wir haben eine junge Generation mit breiten Schultern, die die Bürde tragen können, erzeugt. Sie sind mehr als fähig, Israel zu dessen historischer Bestimmung zu führen, den zehn Geboten, Yavneh und der Weisen sowie Jesajas Prophetie zu folgen.
     
    Wir werden Kaddish sagen im Gedenken an unsere Brüder, Schwestern, Eltern und Kinder die in Märtyrertum getötet wurden. Und wir werden sicherstellen, dass unsere Kinder jüdisch bleiben an Körper und Seele, während sie die Last von Israels Sicherheit und Frieden für die jüdische Nation auf ihren Schultern tragen. Wir kamen heute hierher, um Kaddish zu sagen in Erinnerung ans unsere Lieben, die im Holocaust getötet wurden. Wir kamen, um zu sagen und zu schwören „Nie wieder“. Wir kamen hierher, um zu bezeugen, dass wir ein friedliches Volk sind, das sich selbst verteidigen kann. Wir können und wir werden. Wir haben gebaut und werden bauen.
    Wir werden den sechs Millionen Brüder, die im Holocaust umkamen, immer gedenken. In einer Woche werden unsere Flaggen der israelischen Unabhängigkeit hochgezogen, die das erste Mal aufgerichtet wurden vor 64 Jahren. Heute ist klar, dass die Realität, die wir gebaut haben, die Vision ist, von der wir einmal träumten. Wir werden stolz die Flaggen für die Zukunft Israels als unabhängiger, moralischer, kreativer und beisteuernder Staat sehen. Lasst uns die Fahnen des Friedens, Sicherheit und Brüderlichkeit schwenken.
     
    (Quelle: MFA 19.4.12) Lesen Sie die Rede von Premierminister Benjamin Netanyahu hier.
     


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