"Kritik am Militärhandel? Unbegründet"Die Schweiz und Israel: 70 Jahre diplomatische
Beziehungen - Im Gespräch mit dem Botschafter
Israel erklärte seine Unabhängigkeit am 14. Mai 1948. Die
Schweiz hat den neuen Staat im Januar 1949 anerkannt. Die Verbindung zwischen
den beiden Ländern ist eng: Der erste zionistische Kongress fand 1897 in Basel
statt; 15 der folgenden 22 Kongresse fanden in der Schweiz statt. Vor der
Gründung des Staates Israel in Palästina war der Bund in der Region mit einem
Konsulat in Jerusalem und einer Konsularagentur in Tel Aviv vertreten. Israel
ist nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien der drittgrösste
Handelspartner der Schweiz im Nahen und Mittleren Osten. Im Jahr 2018 betrug
das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern 1,8 Milliarden Franken, davon
1,2 Milliarden Schweizer Exporte nach Israel und 584 Millionen Importe aus
Israel in unser Land.
Sehr geehrter Herr Botschafter, kannten Sie die Schweiz,
bevor Sie 2016 ihr Amt antraten?
Das erste Mal, als ich zu Besuch kam, war ich ein Teenager.
Vor etwa 45 Jahren. Dann kam ich mehrmals zurück, privat und beruflich. Ich
kenne noch nicht das ganze Land, aber ich bin durch viele Regionen gereist. Das Gleiche gilt
für das Tessin, welches ich am 26. Mai anlässlich des Unabhängigkeitstages,
unserem Nationalfeiertag, wieder besuchen werde.
Wie bewerten Sie die Geschäftsbeziehungen zwischen unseren
Staaten? Und welche sind die vielversprechendsten Sektoren in den wirtschaftlichen
Beziehungen?
Die Geschäftsbeziehungen sind ausgezeichnet. So haben uns
beispielsweise die beiden grössten Schweizer Detailhändler Migros und Coop
mitgeteilt, dass sie mehr israelische Lebensmittel kaufen und in unserem Land
mehr verkaufen möchten, wie Schokolade und Käse. Es gibt viele israelische und
schweizerische Unternehmen, die auch ohne unsere Unterstützung gute Arbeit
leisten, aber es gibt auch Branchen, die noch viel Potenzial haben. Mit
Veranstaltungen versuchen wir, in Zusammenarbeit mit unserem Wirtschaftsattaché,
Bereiche wie Life Sciences (zum Beispiel "Biotech" und
Medizintechnik), Finanztechnologien, Informations- und
Kommunikationstechnologien und Cybersicherheit zu fördern.
Die Schweiz und Israel haben auch einen Austausch auf
Verteidigungsebene.
Eines der Dinge, auf die wir stolz sind, ist, dass wir
wenige Jahre nach Beginn dieses Austausches das schweizerische militärische
Reservesystem kopiert haben (lacht). Auf der Grundlage dieses Modells haben wir
in Israel eine sehr starke Armee entwickelt. Dafür danken wir der Schweiz.
Seitdem hat es viele Kontakte in diesem Bereich gegeben, und die Verbindung ist
stark. Die Drohnen, die von der Schweizer Armee, gekauft wurden, eine in den Medien
vielbeachtete Kooperation, sind ein gutes Beispiel dafür.
Wie Sie wissen, freut sich nicht jeder in der Schweiz
über diesen neuesten Austausch. Einige Schweizer Politiker fragen sich, ob es
nicht die Neutralität des Landes in Frage stellt. Wie reagieren Sie auf diese
Kritik?
Ich denke, die Beziehung ist für beide Länder von
Vorteil. Ich glaube nicht, dass sie die Neutralität der Schweiz beeinträchtigt,
da sie auf diesem Gebiet gute Beziehungen zu verschiedenen Ländern unterhält,
und nicht nur zu unserem. Diese Kritik ist nicht gerechtfertigt.
In welchen anderen Bereichen gibt es Zusammenarbeit
zwischen unseren Ländern?
Kultur und Forschung sind wichtig. Es ist schön zu sehen,
wie israelische Musiker und Tänzer in der Schweiz auftreten. Ich habe gerade
Tickets für das nächste Jazzkonzert gekauft, das Anat Cohen Ende April hier in
Bern geben wird. Das israelische Filmfestival "Yesh !" ist gerade in
Zürich zu Ende gegangen. Wir stehen in Kontakt mit dem Filmfestival in Locarno.
Und im September werden wir das Israelische Philharmonische Orchester unter der
Leitung von Zubin Mehta anhören können. Im Bereich der Forschung versuchen wir
mit Konferenzen wie der letztjährigen in Lugano über künstliche Intelligenz,
unsere Unternehmen zu fördern. Wir versuchen nun, den Inhalt eines Abkommens weiter
zu definieren, das zwischen den schweizerischen und der israelischen Behörden
für Innovation unterzeichnet wurde mit dem Ziel, Kooperationsprojekte in diesem
Bereich zu finanzieren.
Die Gewalt in ihrer Region hält an. Seitdem US-Präsident
Donald Trump beschlossen hat, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu
verlegen, haben die Palästinenser auch gesagt, dass Washington für sie kein
neutraler Vermittler für den Frieden im Nahen Osten mehr ist. Würde Israel akzeptieren,
dass eine andere Nation als Vermittler den Frieden mit den Palästinensern
verhandelt?
Meiner Meinung nach sind die Vereinigten Staaten das
einzige Land, das bei dieser Aufgabe erfolgreich sein kann. Natürlich ist der
Beitrag aller Länder, die den Friedensprozess unterstützen wollen, willkommen.
Da ist zum Beispiel Ägypten, das versucht, als Vermittler zu fungieren und die
Region zu beruhigen. Eine wertvolle Hilfe, aber ich glaube nicht, dass es einen
Ersatz für die Vereinigten Staaten gibt. Sie sind die einzigen, die glaubwürdig
sind, die einzigen, die stark genug sind und die einzigen, die ein fundiertes
Wissen über die Situation haben. Aber das Wichtigste wäre, dass Israel und
Palästina beschliessen, direkt miteinander zu verhandeln.
Um beim Gedanken der Vereinigten Staaten als Vermittler zu
bleiben: Trumps Anerkennung der Golanhöhen als israelisches Territorium hat
viele enttäuscht.
Wir freuen uns über die Entscheidung von Trump. Vor
Jahren gab es zwei Verhandlungsrunden mit Syrien. Die Golanhöhen lagen auf dem
Verhandlungstisch. Denken Sie daran, was passiert wäre, wenn sie in syrische
Hände übergegangen wären. Die Krise, in der sich dieses Land heute befindet,
wäre näher am Herzen unseres Landes. Für die Sicherheit Israels können wir sagen,
dass wir Glück haben, dass die Golanhöhen in unseren Händen sind.
In Europa hat der Antisemitismus zugenommen. Auch in der
Schweiz haben Minderheitenschutzorganisationen Alarm geschlagen: Immer mehr
Online-Angriffe finden statt. Wie erklären Sie diesen Trend und was ist Ihrer
Meinung nach der beste Weg, um diese zu bekämpfen?
Glücklicherweise gab es in der Schweiz keine Ereignisse,
wie sie beispielsweise in Frankreich oder Belgien registriert wurden. Es gibt
Grund zur Sorge. Es ist schrecklich, nur 74 Jahre nach dem Holocaust bestimmte
Verhaltensmuster zu sehen. Ich sehe drei Hauptursachen, die den Anstieg
antisemitischer Handlungen in Europa erklären: die extreme Rechte, die extreme
Linke und die massive Einwanderung nach Europa der arabischen Bevölkerung. Die
erste wächst in verschiedenen Nationen, und sie greifen nicht nur Juden an. Die
zweite tendiert dazu, Israel als illegitimen Staat zu begreifen, so dass die
Ablehnung der Nation in Antisemitismus übergeht. Im dritten Fall beziehe ich
mich auf fundamentalistische oder radikalisierte Individuen. Die Lösung, wie
die gleichen Organisationen, die Hass und Rassismus überwachen, argumentieren,
ist hauptsächlich Bildung, aber es besteht auch ein dringender Bedarf an
größeren Auswirkungen für diejenigen, die andere Gemeinschaften diskriminieren
oder angreifen.
Die israelischen Wahlen stehen bevor. Der wegen
Korruption und Betrug angeklagte Ministerpräsident Netanyahu muss sich den
Herausforderungen seines Hauptkonkurrenten stellen: Gantz. Ihre Vorhersage für
den 9. April?
Diesmal ist das Rennen eng. In vorehrigen Wahlen war das
Ergebnis besser vorhersehbar. Diesmal tut es mir leid, aber es ist wirklich
schwer. Es gibt noch viele Dinge, die die Wahl beeinflussen können. Wir werden
sehen.
Übersetzt von der
israelischen Botschaft in Bern, Originalartikel unter:
https://www.cdt.ch/svizzera/le-critiche-agli-scambi-militari-sono-ingiustificate-AX1055552