Interview von "der Sonntag" mit Yigal B. Caspi, Israels Botschafter in der Schweiz, erschienen am 25.11.12
„DER UNO-BEOBACHTERSTATUS DER PALÄSTINENSER IST REINE ZEITVERSCHWENDUNG“
Herr Caspi. Sie sind seit Juli israelischer Botschafter in der Schweiz. Haben Sie sich schon eingelebt?
Yigal B. Caspi: Mehr oder weniger. Ich lerne aber immer noch, ein paar schweizerische Eigenschaften zu verstehen.
Welche zum Beispiel?
Die verschiedenen Sprachen und Mentalitäten und vor allem die Wege, wie man politisch zu Entscheidungen und Resultaten kommt.
Sind die anders als in Israel?
Hier werden Entscheidungen weniger zentralistisch gefällt. Deshalb braucht man länger, bis man zu einer Lösung kommt. Aber ich habe gemerkt, dass dieser Schweizer Weg ein guter ist.
In Gaza herrscht seit Mittwoch ein Waffenstillstand. Wird er halten?
Das kommt auf den Willen der Palästinenser an, ob sie ihre terroristischen Aktivitäten einstellen und für eine politische Lösung bereit sind. Der Status quo ist für beide Seiten schlecht.
Beim Konflikt gab um die 150 Tote und über 1000 Verletzte, der überwiegende Teil davon Palästinenser. Ist das nicht ein viel zu hoher Blutzoll?
Unser Ziel war es, die Raketen zu stoppen, die die Hamas seit Jahren auf unser Land abfeuerte. Es ist uns gelungen, einen grossen Teil der Hamas-Terror-Infrastruktur zu zerstören. Dabei haben wir versucht, die Opferzahlen möglichst tief zu halten. Dies ist allerdings nicht einfach, da die Raketen aus Wohngebieten abgefeuert werden und Hamas sich hinter palästinensischen Zivilisten verschanzt. Aber jeder Tote ist immer einer zu viel.
Glauben Sie, dass diese „Auge um Auge, Zahn um Zahn“-Politik aufgeht?
Wir hoffen, dass die Botschaft verstanden wurde, dass man Konflikte nur politisch und nicht mit Terrorismus lösen kann.
Die Schweiz pflegt Kontakte zur Hamas. Deren ranghoher Vertreter Mushir al-Masri war dieses Jahr mit einer Delegation im Bundeshaus. Ihre Meinung dazu?
Wer mit der Hamas Beziehungen pflegt, vermittelt auch eine Botschaft. Wenn man es tut, dann sollte man auf sie einwirken, dass sie dem Terrorismus abschwört. Wir würden es aber lieber sehen, wenn es in Zukunft keine Hamas-Kontakte gibt, bis diese die drei fundamentalen Prinzipien anerkennt, die von der internationalen Gemeinschaft gefordert werden: die Anerkennung Israels, die Einhaltung sämtlicher bisher geschlossener Abkommen und das Abschwören der Gewalt als politisches Mittel.
Palästinenserpräsident Machmud Abbas wurde kurz vor dem Gaza-Konflikt offiziell in Bern empfangen. Er will am Donnerstag bei der Uno den Antrag als Beobachterstaat einreichen. Der Bundesrat unterstützt dieses Vorgehen. Werden Sie dagegen protestieren?
Wenn es soweit kommt, dann werden wir zuerst unsere Regierung konsultieren und entscheiden, was unsere Reaktion ist. Die Palästinenser würden ihren Antrag allerdings besser verschieben, bis in Israel die anstehenden Wahlen vorbei sind und man weiss, welche Kräfte die neue Regierung bilden. Alles andere ist kontraproduktiv.
Wieso wehrt sich Israel dagegen, dass die Palästinenser den Beobachterstatus erhalten?
Wir können es nicht nachvollziehen. Dieser Beobachterstatus bringt den Palästinenser nichts. Das ist reine Energie- und Zeitverschwendung; eine Art Ablenkmanöver. Die Vergangenheit zeigt, dass nur direkte Friedensabkommen, bei denen die Konfliktparteien an einem Tisch zusammen sitzen und verhandeln, etwas bringen. Alles andere funktioniert nicht. Wir könnten morgen schon mit direkten Verhandlungen beginnen.
Bietet Israel Hand für solche Friedensgespräche?
Der Friedensprozess kann morgen beginnen, wenn die Palästinenser wollen.
Haben die Palästinenser dabei nicht bessere Karten, wenn sie den Uno-Beobachterstatus besitzen?
Aus meiner Sicht nicht. Der Gaza-Konflikt hat gezeigt, dass nicht einmal Ägypten voll hinter der Hamas und den Palästinensern steht. Diese haben gedacht, der ägyptische Präsident Mursi gibt ihnen mehr Rückhalt, um weiter zu kämpfen. Das war nicht der Fall. Ägypten hat sich gut und klug verhalten. Sie wollen keinen Konflikt an ihrer Grenze, sondern wie wir eine politische Lösung. Sie wissen, dass ruhige Grenzen gut für beide Seiten sind. Das ist nur mit direkten Verhandlungen möglich. Da hilft kein Uno-Beobachterstatus.
Haben Sie das Gefühl, dass die Schweiz zu israelkritisch und zu palästinenserfreundlich ist?
Mit der Schweizer Regierung haben wir traditionell gute Beziehungen. Zudem ist die Schweiz für uns ein wichtiger Wirtschafts- und Handelspartner. Aber es gibt in Teilen der Bevölkerung und der Politik kritische Stimmen gegenüber Israel. Auch humanitäre Organisationen sind eher auf der Seite der Palästinenser und beachten die Probleme, denen wir durch Raketenangriffe und terroristische Anschläge ausgesetzt sind, zu wenig.