Zensur beim Armeesender? II

Zensur beim Armeesender? II

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    Während in Deutschland über den Video-Clip des Sängers Joachim Witt diskutiert wird, durch den die Bundeswehr sich verunglimpft fühlt und dessen Indizierung zurzeit durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien erwogen wird, gibt es in Israel einen ähnlichen Fall: In dem Lied „Inyan shel hergel“ (Eine Sache der Gewohnheit) bezieht sich der Sänger Yizhar Ashdot auf das Leben als Soldat in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (ZAHAL).

    Das Lied beginnt mit den Worten

    Lernen zu töten
    Ist eine Sache des Moments
    Es fängt klein an
    Und dann kommt es

    Die ganze Nacht auf Patrouille
    In der Altstadt von Nablus
    Hey, was ist hier unsers
    Und was gehört euch

    Der Radiosender von ZAHAL hat nun eine Mitteilung herausgegeben, der zufolge er das Lied zukünftig nicht mehr spielen wird. 

    Wir dokumentieren hierzu zwei Meinungen.
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    Die Freiheit der Kunst und der Legende


    Von Ben Drori Yamini, Maariv, 16.10.12

    Der rechte Siedleraktivist Baruch Marzel hat ein Lied geschrieben, indem er sich mit dem mörderischen Wesen der Jihadisten auseinandersetzt, die Juden zu „Affen und Schweinen“ deklarieren und damit, wie sie Jugendliche einer Gehirnwäsche unterziehen und sie für Morde gehen Juden rekrutieren. Der Kommandant des Armeesenders hat entschieden, das Lied nicht auszustrahlen, weil es Hass gegen Muslime unterstützt.

    Ein wichtiger Journalist schreibt dazu: Es geht hier nicht um eine unwichtige Angelegenheit. Kunst ist Kunst, Lieder sind Lieder, die Meinungsfreiheit ist die Meinungsfreiheit. Und die Möglichkeiten, die Begriffe „Kunst“ und „Meinungsfreiheit“ auszulegen, sind breit und gehen weiter zurück als irgendwelche Zensoren. Es scheint, als habe es in dem verrückten weltweiten Klima noch nicht einmal Sinn, auch nur zu versuchen zu erklären, wie problematisch, falsch und gefährlich die Entscheidung Dekels ist, das Spielen des Liedes von Marzel im Armeesender zu verbieten, nachdem die merkwürdige Behauptung laut wurde, das Lied „verunglimpfe Muslime“.

    Natürlich ist diese Geschichte nicht wahr. Marzel hat kein Lied über Muslime geschrieben, der Armeesender hat es nicht ausgestrahlt, und eine Diskussion fand auch nicht statt. Aber irgendwie ist es ja doch geschehen – denn Yizhar Ashdot ist ins Studio des Armeesenders gekommen, um ein Lied zu spielen, in dem darauf angespielt, wirklich nur angespielt wird, dass Soldaten von ZAHAL einfach nur so Palästinenser umbringen würden. In dem Lied heißt es: „Lernen zu töten/ist eine Sache des Moments/es fängt klein an/und dann kommt es/sie sind kein Mann, keine Frau/sie sind nur ein Ding, ein Schatten/lernen zu töten/ist eine Sache der Gewöhnung“.

    Das Lied ist von den Märchen von „Breaking the Silence“ inspiriert. Wir sollten uns daher einmal kurz mit den Tatsachen befassen. Die Soldaten von ZAHAL töten nicht nur einfach so aus Gewohnheit. Tatsächlich geht die Zahl der unschuldigen verletzten Palästinenser schon seit Jahren gegen Null. Aber das ist ja unwichtig. Denn es ist in Mode, die Soldaten von ZAHAL mit Dreck zu bewerfen und Lügen über sie zu verbreiten und uns zu erzählen, es handele sich dabei um Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst.

    Ich bin für Meinungsfreiheit. Und was ich oben zitiert habe, stammt aus der Feder meines Kollegen Shai Golden, der gegen die Entscheidung des Armeesenders war, die Legende nicht zu spielen. Ich stimme jedem Wort Goldens zu. Ich habe nur eine Frage: Werden er und seine Freunde auch die Verteidigung Baruch Marzels übernehmen, wenn diese die „Meinungsfreiheit“ ausnutzen, um von den Jihadisten zu erzählen, die zum Massenmord an Juden anstacheln?

    Das ist eine rhetorische Frage. Mein Kollege Golden weiß, dass es nicht die kleinste Möglichkeit gibt, dass ein solches Lied jemals auf die Plattenteller des Armeesenders oder jeder anderen Radiostation gelangt. Wir sollten daher die Dinge beim Namen nennen: Es geht hier nicht um die „Freiheit der Kunst“. Es geht darum, die Verleumdung von ZAHAL-Soldaten zu schützen. Auch als Ariel Zilber boykottiert wurde, weil er sich für den Rabin-Mörder Yigal Amir eingesetzt hat, war das keine Verletzung der Meinungsfreiheit, da nicht jeder Künstler, jede Hetze und jede Legende es wert sind, im Namen der „Freiheit der Kunst“ geschützt zu werden.

    Die Meinungsfreiheit verpflichtet dazu, dass solche Verleumdungen im Rahmen einer öffentlichen Debatte angehört werden müssen. Dort, und nur dort, besteht die Möglichkeit, damit umzugehen, sie zu entlarven. Doch wenn man, anstelle sich einer offenen Debatte zu stellen, nur „Meinungsfreiheit“ ruft, dann ist das scheinheilig.

    Denn auch Golden weiß, dass kein Lied aus dem Hause Marzel es jemals auf die Playlist des ZAHAL-Senders schaffen würde. Und das ist gut so. Und auch Golden weiß, dass die Entscheidung gegen Zilber gerechtfertigt war, auch wenn sie die „Freiheit der Kunst“ verletzt hat. Der Hisbollah-Sender „Al-Manar“ sendet antisemitische Propaganda. Der Sender ist in Europa verboten. Der Sender „Al-Aksa“ der Hamas sendet ein Lied, in dem es heißt: „Töte die Juden, töte die Christen, töte die Kommunisten, bis auf den letzten von ihnen“. Auch dieser Sende ist in anderen Ländern verboten. Müssen also die unterdrückerischen Europäer von Golden lernen, was Meinungsfreiheit ist?

    Und noch etwas: Als das sehr politische Lied „Ani Achicha“ (Ich bin dein Bruder) von Amir Benayoon veröffentlicht wurde, das sich gegen die Verfolgung der ZAHAL-Soldaten richtet, wurden er auf dem Armeesender von Yael Dan interviewt. Später wurde das Lied nicht mehr ausgestrahlt, und Benayoon selbst klagte, er werde boykottiert. So ergeht es beim Armeesender jemandem, der versucht, den Ruf der Soldaten zu schützen. Es musste nichts entschieden werden. Die Branche wusste schon, wie sie zu handeln hatte. Das also ist die Meinungsfreiheit der Scheinheiligen.

    Der Autor ist Journalist und Jurist.

    Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.

    Lesen Sie hierzu auch Eine armselige Entscheidung
     
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