E1 ist nicht das Problem

E1 ist nicht das Problem

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    ​​Von Yochanan Visser, Ynet, 19.12.12
     
    In der vergangenen Woche hat der Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU eine Erklärung zum dem von ihm so genannten „Friedensprozess im Nahen Osten“ abgegeben. Die EU erklärt darin, dass alle Parteien Schritte vermeiden sollten, die das Vertrauen und die Möglichkeit für eine Zweistaatenlösung gefährden. Die Erklärung zeigt, wie weit die EU heute von der Realität in Israel entfernt ist.
     
    Tatsache ist, dass es überhaupt keinen Friedensprozess mehr gibt, seit die Palästinenser-Führung 2009 entschieden hat, die bilateralen Verhandlungen mit Israel abzubrechen – ein Schritt, der das Ergebnis eines kalkulierten Strategiewechsels in der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) darstellte.
     
    Darüber hinaus haben die meisten EU-Staaten die Chancen für ein ausgehandeltes Abkommen für eine Zweistaatenlösung unterminiert, indem sie bei der Abstimmung über die Statusänderung der Palästinenser in der UN-Vollversammlung im November für den Vorschlag gestimmt oder sich enthalten haben. Die EU wurde hiermit zu einem Komplizen dabei, die Osloer Verträge aufzulösen.
     
    Diese Verträge enthalten in Artikel 31 folgenden Absatz: „Keine der beiden Seiten darf Schritte ergreifen, die den Status des Westjordanlands oder des Gazastreifens ändern, der an die Ergebnisse der Verhandlungen zu einem endgültigen Status gebunden ist.“
     
    Die PA hat die Verhandlungen über einen endgültigen Status umgangen, um die weltweite Anerkennung eines palästinensischen Staates zu erhalten. Dies war eindeutig der Versuch, den Status des Westjordanlandes zu verändern.
     
    Dieser einseitige Schritt hat ganz klar das Vertrauen beschädigt. Er hat auch eine herrschende relative Ruhe in Gefahr gebracht und den zerbrechlichen Status Quo im Westjordanland aufs Spiel gesetzt. Dies wurde durch eine Reihe gewalttätiger Zwischenfälle der vergangen zwei Wochen deutlich. Palästinenser in Hebron haben am Samstag sogar erklärt, die dritte Intifada habe begonnen.
     
    Doch das ist noch nicht alles. Wer die Erklärung des EU-Außenrates sorgfältig liest, erkennt, dass die Politik der EU offensichtlich auf Informationen basiert, die aus palästinensischen Quellen oder zumindest von Nicht-Regierungsorganisationen stammen, die eindeutig mit den Palästinensern identifiziert werden.
     
    So verwendet die EU beispielsweise das Wort „Grenzen“, wenn es um die Waffenstillstandslinien geht, die vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 bestanden. Diese „Grenzen“ waren aber eben Waffenstillstandslinien, die erst nach dem arabischen Angriff auf Israel 1948 entstanden sind. Die Palästinenser sprechen bewusst von Grenzen, weil es ihren Anspruch auf das Westjordanland festigen würde, wenn es sie gäbe.
     
    Als sie ihrer „tiefen Betroffenheit“ und „deutlichen Opposition“ gegenüber israelischen Plänen für die Entwicklung des sogenannten E1-Gebiets zwischen Jerusalem und Ma’ale Adumim Ausdruck verlieh, erklärte die EU, dieser Plan „gefährde die Möglichkeit eines zusammenhängenden und lebensfähigen palästinensischen Staates“. Die EU erklärte sogar, der Plan „könnte den erzwungenen Transfer von Zivilbevölkerung zur Folge haben“.
     
    Diese beiden Aussagen entstammen der PA-Propaganda. Die Tatsachen zeigen, dass der Plan für E1 nicht im Mindesten die Kontinuität eines lebensfähigen palästinensischen Staates gefährdet.
     
    E1 ist ein 11,7 qkm großes Gebiet auf den kargen Hügeln, die an die östlichen Ränder Jerusalems und an Ma’ale Adumim angrenzen, eine Vorstadt mit 40.000 Einwohnern 4,5 km östlich von Jerusalem.
     
    Die Stadt steht für Israel nicht zur Diskussion. Jede israelische Regierung, auch die von Yitzhak Rabin, hat erklärt, dass Ma’ale Adumim in jedem Friedensabkommen Teil Israels bleiben würde, und dass die Entwicklung von E1 notwendig ist, um zu verhindern, dass Jerusalem jemals wieder zur Frontstadt würde. So war es vor und nach 1948 und bis 1967, als Jerusalem geteilt war und ständig angegriffen wurde.
     
    E1, das zu Ma’ale Adumim gehört und im C-Gebiet liegt, hat immer wieder illegale palästinensische Bauaktivitäten und Landraub durch Beduinen-Stämme gesehen. Im C-Gebiet hat aber gemäß dem Vertrag Olso II Israel die Planungshoheit behalten.
     
    Auf E1 zu bauen, wird die Kontinuität eines palästinensischen Staates nicht gefährden, da östlich von Ma’ale Adumim noch mindestens 15 km Land bleiben, die den Norden des Westjordanlands mit dem Süden verbinden. Darüber hinaus hat Israel einen Plan für den Bau einer Umgehungsstraße entwickelt, die Bethlehem und Ramallah miteinander verbinden würde. Die neue Straße würde die Fahrtzeit für die Palästinenser sogar noch verkürzen.
     
    Die Karte von Israel rechts zeigt deutlich, dass die Entwicklung von E1 einen zusammenhängenden palästinensischen Staat nicht gefährden würde und dass der Korridor vom Norden des Westjordanlandes in den Süden die gleiche Größe hat wie der, der in Israel vor dem Sechs-Tage-Krieg existiert hat.
     
    Was die Behauptung der EU betrifft, dass eine Entwicklung von E1 den erzwungenen Transfer von Zivilbevölkerung nach sich ziehen könnte, so muss gesagt werden, dass auf E1 beinahe niemand wohnt. Die einzigen Palästinenser, die hier leben, siedeln hier illegal. In diesem Zusammenhang ist es wichtig festzustellen, dass niemals eine israelische Siedlungsaktivität zu einem Transfer von Zivilbevölkerung geführt hat.
     
    Die EU ignoriert auch die Tatsache, dass die PA in Ostjerusalem Tatsachen vor Ort schafft.
     
    2001 hat der inzwischen verstorbene PLO-Führer Faisal Husseini erklärt, ohne Genehmigung im Großraum Jerusalem zu bauen, sei eine der palästinensischen Waffen im Kampf gegen Israel. Heute sind mehr als 40% der Häuser in Ostjerusalem illegal gebaut. Muhammed Nahal, ein Experte für Stadtplanung im Dienst der PA, hat einen Plan für den Bau dreier palästinensischer Städte um Jerusalem entwickelt. Ziel war es, die jüdischen Stadtteile einzukesseln. Nur die zweite Intifada hat die Verwirklichung dieses Plans verhindert.
     
    Am Ende ihrer Erklärung zum Friedensprozess im Nahen Osten ruft die EU einmal mehr zu innerpalästinensischer Versöhnung als wichtiges Element für die Einheit eines zukünftigen palästinensischen Staates und eine Zweistaatenlösung auf.
     
    Der Erklärung, die nach einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel veröffentlicht wurde, folgte die Verurteilung von „hetzerischen Erklärungen von Führern der Hamas, die Israels Existenzrecht leugnen“.
     
    Israelischen Offiziellen zufolge haben sogar vier EU-Staaten versucht, die Verurteilung der „hetzerischen Erklärungen“ der Hamas zu verhindern. Tatsache ist, dass es sich dabei nicht nur um Erklärungen sondern ganz einfach um ihre Politik handelt.
     
    Die Hamas ist davon überzeugt, dass unermüdliche Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung zum Zusammenbruch der israelischen Gesellschaft führen werden und letztendlich auch zum Untergang des Staates Israel.
     
    Es ist schwer zu verstehen, warum die EU für eine Versöhnung zwischen der PA und der Hamas eintritt, um eine Zweistaatenlösung zu erreichen, während sie gleichzeitig zugibt, dass die Hamas den Untergang des Staates Israel herbeiwünscht.
     
    Die Rede des Hamas-Führers Khaled Mash‘al bei seinem jüngsten Besuch in Gaza stellte noch einmal klar, dass die Hamas keine Partei in einem Friedensprozess sein kann, und dass die Terrororganisation niemals den Staat Israel anerkennen wird.
     
    Mash‘al zufolge gehört das gesamte Gebiet, das heute Israel ist, den Palästinensern. Er sagte, dass niemals auch nur ein Zentimeter davon aufgegeben werden würde.
     
    Diese Erklärungen haben keine sofortige Verurteilung durch die EU nach sich gezogen. Im Gegenteil, zwei Tage nachdem Mash‘al diese Erklärung getätigt hatte, hat die EU erneut zur Versöhnung zwischen Hamas und PA als bedeutendem Element für eine Zweistaatenlösung aufgerufen.
     
    All dies zeigt, wie weit entfernt die EU inzwischen von der Realität im palästinensisch-israelischen Konflikt ist und wie palästinensische Propaganda europäische Entscheidungen beeinflusst.
     
    Der Autor ist freier Journalist.
     
    Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.