Eine armselige EntscheidungVon Shai Golden, Maariv, 15.10.12Es geht hier nicht um eine unwichtige Angelegenheit. Kunst ist Kunst, Lieder sind Lieder, die Meinungsfreiheit ist die Meinungsfreiheit. Und die Möglichkeiten, die Begriffe „Kunst“ und „Meinungsfreiheit“ auszulegen, sind breit und gehen weit über ZAHAL hinaus und weiter zurück als zum Senderchef Yaron Dekel und sind älter als all jene, die auf diesen Artikel mit Kommentaren antworten werden.
Es scheint, als habe es in dem verrückten israelischen Klima, in dem wir hier leben, keinen Sinn, auch nur zu versuchen zu erklären, wie problematisch, falsch und gefährlich die Entscheidung Dekels ist, das Spielen des Liedes von Yizhar Ashdot im Armeesender zu verbieten, nachdem die merkwürdige Behauptung laut wurde, das Lied „verunglimpfe ZAHAL“. Immer wieder habe ich den Text des Liedes gelesen (das übrigens eines der weniger gelungenen von Ashdot ist) und konnte keinerlei Verachtung, Verunglimpfung oder Hetzerei gegenüber ZAHAL entdecken.
Ich habe dort von inneren Konflikten gelesen, von den Schwierigkeiten, sich zu entscheiden, Selbstqualen, Zweifeln und großen Schwierigkeiten. Ich habe eine Kritik daran gelesen, wie leicht der Finger am Abzug sitzt, an der Korrumpierung der Seele der Tötenden und dem Leid, das dadurch den Opfern zugefügt wird.
Aber Verunglimpfung von ZAHAL? Wo? Warum? Dies bleibt unklar. Vielleicht identifiziert sich Dekel (einer unserer besten Journalisten; ein Mann mit Gewissen und Moral; ein Mensch, dessen Zeit bei der Sendebehörde eine Sternstunde für die „Wahrheit“ im Journalismus war) ein bisschen zu sehr mit seinem Amt als „Kommandant des ZAHAL-Senders“?
Es kann sein, dass Dekel hier zu sehr in die Details gegangen ist, wo das große Ganze hätte gesehen werden müssen. Vielleicht hat er zu schnell das Lied seines Herren gesungen, wo sein Herr das nie von ihm zu verlangen gewagt hätte. Es kann sein, dass sein Herr niemals von ihm verlangt hätte, ein vollkommen legitimes (wenn auch politisches) Lied nicht mehr auszustrahlen, da er genau wusste, zu was für einem Aufschrei eine solche Entscheidung führen würde.
Und so hat also ausgerechnet Dekel sich entschieden zu zensieren, anderen den Mund zu stopfen, ein „Heiliger“ zu sein, wo niemand es von ihm verlangt hat und so seine Amtszeit beim Armeesender durch eine armselige Entscheidung zu beschmutzen. Denn seine journalistische Ehrlichkeit steht außer Zweifel.
Doch auch Yaron Dekel darf sich irren, sogar auf so bittere Weise. Es ist ein Fehler, der vielen Populisten in die Hände spielen wird, ein Fehler, der denen in die Hände spielt, die verbal zündeln und den traurigen Geist unterstützt, der sich in unserem Land breit macht – den Geist, der zwischen Israeli und Israeli unterscheiden, der nur „Freund“ oder „Verräter“ kennt, „einer von uns“ und „einer von denen“ und mehr als alles andere an die sehr dunklen Kapitel der Geschichte der Menschheit erinnert.
Und dieser Geist, der nun die Stimmen des Schmerzes und der gebrochenen Herzen vieler Israelis zum Schweigen bringen will, ist ein Geist, der schon den Flächenbrand in sich trägt. Ein großes Feuer, das die Legitimität einer jeden Stimme verbrennt, die nicht die Stimme der Masse ist, des Machthabers, der „richtigen“ Stimme. Und genau in dieser Stunde ist es die Aufgabe Yaron Dekels und seiner Kollegen, der Öffentlichkeit entgegen zu stehen und zu sagen: „Auch wenn meine Wahrheit anders aussieht als die von Yizhar Ashdod, ist es mir sehr wichtig, dass ihr sie anhört. Denn letztendlich sind wir alle Israelis. Wir alle wollen das Beste für diesen Ort und seine Bewohner.“
Und wer daran zweifelt, verrät Israel sehr viel mehr als jedes Protestlied – das ZAHAL noch dazu überhaupt nicht verunglimpft.
Der Autor ist Redakteur bei Maariv. Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.Lesen Sie hierzu auch:
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