Das Ziel: Der Mossad. Und Netanyahu
Von Israel Harel, Haaretz, 14.02.13
Die deutlichste Analyse der Affäre um Ben Zygier hat der ehemalige Mitarbeiter des australischen Geheimdienstes Warren Read geliefert: „Es handelt sich ganz sicher um Spionage, Verrat, um sensibelste Informationen, die, wenn sie bekannt würden, eine sofortige Gefährdung der Sicherheit des Staates Israel zur Folge hätten.“ Und wer nicht schadenfreudig ist, wenn dem Mossad etwas nicht gelingt und ihm Katastrophen passieren, müsste diese Affäre – bis die Wahrheit ans Licht kommt – eigentlich ebenfalls unter diesem Aspekt beurteilen.
Aber was irgendein weit entfernter Australier feststellt, scheint für einen Teil der Knessetabgeordneten und wichtige Teile der israelischen Medien nicht zu gelten. Es stimmt, in unseren Tagen kann man eine Affäre nicht totschweigen, auch wenn ihre Aufdeckung eine „Gefährdung der Sicherheit des Staates Israels“ bedeutet (und vielleicht gerade deshalb?). Es stimmt, wenn es so viele alternative Medien gibt, dann besteht keine Hoffnung (auch wenn es sich um „Spionage, Verrat, um sensibelste Informationen“ handelt), die israelischen Medien zu bitten, nicht über die geheime Affäre zu berichten. Und ganz besonders gilt das, wenn der Bittende das Amt des Ministerpräsidenten ist, also Binyamin Netanyahu, der in der betreffenden Zeit für die Geheimdienste zuständig war.
Es besteht kein Zweifel, dass der Mossad genauso gut weiß, dass man heute nichts mehr geheim halten kann, wie die Journalisten, die über die Bitte, von Veröffentlichungen Abstand zu nehmen, lästern. Und ganz sicher ist sich der Presse-Experte Netanyahu dessen bewusst. Und doch hat man, aus Gründen, die sicher noch herauskommen werden (denn, wie sagten die Journalisten: heute lässt sich ja nichts mehr verbergen), die Herausgeber gebeten: Bitte gießt kein Öl ins Feuer.
Warum sollte man einer solchen Bitte nicht nachkommen, und sei es nur für kurze Zeit? Denn wenn sich herausstellen sollte, dass die nationale Sicherheit nicht der wahre Grund für die so dringlich vorgetragene Bitte war, kann man diejenigen, die den Namen der nationalen Sicherheit missbraucht haben, immer noch zur Verantwortung ziehen.
Wenn die Medien selbst darüber diskutieren, dass die Zensur ihnen scheinbar das „Recht auf Meinungsäußerung“ verweigert, dann ist das pure Heuchelei. Der Bitte um Zurückhaltung und dem Einschalten der Zensur liegen mögliche Auswirkungen für die Sicherheit und Politik zugrunde, vielleicht sogar mögliche Auswirkungen für das Leben israelischer Entsandter im Ausland. Es ist richtig, dass in der Vergangenheit solche Bitten dazu genutzt wurden, Affären unter den Teppich zu kehren, allerdings war das nicht in den vergangenen Jahren der Fall. Es fällt schwer zu glauben, dass in unseren Tagen, besonders seit der Affäre um den Linienbus 300 (wo 1984 Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes zwei Terroristen exekutiert hatten, nachdem sie sie gefangen genommen hatten), der Sicherheitsapparat und der Ministerpräsident ernsthaft erwägen würden, besagte Affäre zu unterdrücken, wenn sie dafür nicht gute sicherheitspolitische Gründe und die volle Deckung der Justiz hätten. Denn schließlich lassen sich solche Dinge ja nicht lange verheimlichen. Und wenn es mit irgendetwas nicht seine Ordnung hätte, dann würden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Und niemand wäre vor Strafverfolgung immun.
Die Einzelheiten werden sehr wahrscheinlich herauskommen, sei es durch einen Untersuchungsausschuss, sei es auf anderem Weg. Und wenn jemand Unrecht getan hat, wird er bestraft werden. Doch schon jetzt kann man klar unterscheiden zwischen denen, die in diesen schweren Tagen mit dem Mossad Mitgefühl haben und denen, die Schadenfreude empfinden; zwischen denen, die die Wahrheit wollen, um Fehler korrigieren zu können und diese so wichtige Institution zu stärken und denen, die die Affäre nutzen wollen, um den Mossad zu schwächen, zwischen Israel und befreundeten Staaten Unfrieden zu stiften und „aus diesem freudigen Anlass“ auch gleich noch der von ihnen so gehassten politischen Klasse eins auszuwischen.
Der Autor ist Journalist und politischer Aktivist.
Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.