Wagner - Es eilt nicht

Wagner in Israel

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    Die Universität Tel Aviv hat beschlossen, das ursprünglich für diesen Monat geplante Wagner-Konzert abzusagen. Wir dokumentieren hierzu eine Meinung in einem Kommentar.
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     : Cäsar Willich (Rechte: Reiß-Museum der Stadt Mannheim)
     
     


    Wagner – Es eilt nicht…

    Von Yossi Beilin

    Mitte des Monats sollte bei uns zum ersten Mal ein Konzert mit Werken Richard Wagners stattfinden. Nicht nur ein kurzes Stück als Teil der Zugabe wie bei Daniel Barenboim, sondern ganz offen, ohne Kompromisse: Ein ganzes Konzert nur Wagner.

    Das Konzert sollte nicht aus öffentlichen Geldern finanziert werden, damit niemand irgendeine öffentliche Institution hätte beschuldigen können, eine so umstrittene Veranstaltung zu finanzieren. Daher ist alles ganz privat und spendenfinanziert.

    Wäre mein Vater noch am Leben, wäre er außer sich vor Wut. Ich weiß nicht, ob er sich mit einem Schild vor den Konzertsaal gestellt hätte, weil er in seinem Leben niemals an einer Demonstration teilgenommen hat, aber er hätte so etwas niemals akzeptiert.

    Er war kein Holocaust-Überlebender, da er schon lange vor der Shoah nach Eretz Israel ausgewandert ist, doch die meisten seiner Familienangehörigen sind in der Shoah umgekommen. Er hat sich geweigert, Deutschland zu besuchen, hat niemals ein Wort Deutsch gesprochen, obwohl er die Sprache hervorragend beherrschte und kaufte keine deutschen Produkte. Die Musik Wagners war für ihn treife, unrein.

    Ich habe nie geglaubt, dass die jüdische Rache dafür, was uns die Nazis angetan haben, im Boykott Deutschlands liegt, das auf den Trümmern des fanatischen Hitler-Regimes gegründet wurde. Ich habe Deutschland besucht, habe deutsche Produkte gekauft, und ich mag die Musik Wagners. Manchmal ist sie vielleicht ein wenig zu pompös, doch sie ist atemberaubend und der Komponist offensichtlich ein Genie.

    Gerne würde ich glauben, dass das Monster nur auf das Gebiet Deutschlands begrenzt war und dass ein Boykott deutscher Produkte ausreichen würde, damit es nie wieder aufersteht. Leider ist das in meinen Augen naiv und eine zu leichte Lösung.
     
    Wagner war einer der größten Antisemiten der modernen Geschichte. Er hat Juden nicht „einfach nur so“ gehasst, er hat sich auch systematisch mit dem Thema auseinandergesetzt und darüber geschrieben, vor allem in seinem schrecklichen Aufsatz „Das Judenthum in der Musik“ von 1850. Ein jüdischer Einfluss auf die deutsche Kultur war in seinen Augen eine Katastrophe. Hitler hat von Wagner Inspirationen erhalten, und seine Musik hat mehr als einmal Juden in den Tod begleitet. Aus diesem Grund erschaudern noch heute viele Holocaust-Überlebende, und nicht nur sie, wenn sie seine Musik hören und sind nachdrücklich gegen ihre Aufführung.
     
    Ich würde diese Ablehnung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Frage ist nicht die Finanzierung. Die Frage ist, ob ein solches Konzert angemessen ist, solange es Menschen gibt, bei denen diese Musik solch heftige Emotionen hervorruft. Schließlich kann man diese Emotionen nicht mit einer Handbewegung beiseite wischen.

    Hinzu kommt, dass, wer Wagner wirklich so sehr liebt, seine Musik nicht nur bei jeder Auslandsreise im Konzertsaal hören kann, sondern auch im Fernsehen, im Radio und auf CD.
     
    Es geht hier nicht um Prinzipien oder Ideologie, während andere uns das Maul stopfen wollen. Der Widerstand gegen eine Aufführung ist emotionell bedingt, und es sieht so aus, als sei sie damit einfach überflüssig.
     
    Wer Wagner in Tel Aviv aufführt, trägt damit nichts zur Meinungsfreiheit, zu universellen Werten und zu den Rechten des Einzelnen bei. Er läuft Gefahr, ohne Not guten Menschen sehr wehzutun, auch wenn er diesen Schmerz für nicht gerechtfertigt hält.
     
    Diese Aufführung kann man ruhig noch um 20 Jahre verschieben. Es eilt nicht.

    Der Autor ist ehemaliger Minister und ehemaliges Knessetmitglied. Heute ist er als Geschäftsmann tätig.

    Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.
     
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