Keine gute Lösung

Keine gute Lösung

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    Betender Soldat Betender Soldat : Maariv
     
     
    Von Naomi Darom, Haaretz, 15.02.12
    Der Ärger über das "Tal-Gesetz", das Jeschiva-Schüler vom Militärdienst befreit, könnte bald Früchte tragen. Das Gesetz wird nicht verlängert und möglicherweise werden Ultraorthodoxe zum Pflichtdienst einberufen. Der Ärger ist berechtigt. Es ist richtig, sich darüber aufzuregen, dass eine große Bevölkerungsgruppe ihre staatsbürgerlichen Pflichten nicht erfüllen muss. In einer perfekten Welt würde jeder ultraorthodoxe Achtzehnjährige wie seine säkularen Altersgenossen zu den Israelischen Verteidigungsstreitkräften einberufen werden und den Pflicht- und Reservedienst absolvieren. Doch leider leben wir nicht in einer perfekten Welt.
     
    Daher sollte man, bevor man überstürzt anfängt, Ultraorthodoxe zum Armeedienst einzuziehen, die möglichen Konsequenzen bedenken. Denn die Änderung in den Einberufungsbestimmungen hätte Auswirkungen auf eine andere Bevölkerungsgruppe, die genauso dient wie die Männer, jedoch ungleich mehr von ultraorthodoxen Soldaten betroffen wäre: die Frauen. Häufig wird vergessen, dass die gegenwärtige Welle des Ausschließens von Frauen aus dem öffentlichen Raum gerade bei der Armee ihren Anfang genommen hat. Zunächst verließen Eiferer aus religiösen Gründen eine militärische Zeremonie. Als nächstes wurden Frauen bei den Tänzen zu Simchat Thora in einen abgetrennten Bereich abgeschoben. Wie weit wird die Verdrängung reichen, wenn zehntausende Ultraorthodoxe dienen?
     
    Die Antwort fällt leicht, wenn man die Lösungen betrachtet, die die Armee bisher für Orthodoxe gefunden hat, die bereit waren zu dienen, nämlich Sondereinheiten, zu denen Frauen nicht eingezogen werden. Wie viele dieser abgetrennten Bereiche wird es geben, um die neu Einberufenen aufzunehmen? Von welchen Einheiten, Tänzen oder Zeremonien werden die Soldatinnen ausgeschlossen? Wie kann die Beinahe-Gleichberechtigung bewahrt werden, die heute nach jahrelangem Kampf erreicht ist?
     
    Die Armee kann nicht von Ultraorthodoxen fordern, gemeinsam mit Frauen zu dienen, sie singen zu hören oder auch nur, ihnen die Hand zu reichen. Doch sie kann auch nicht der Diskriminierung von Frauen zustimmen. Eine massenhafte Einberufung Ultraorthodoxer hätte entweder deren Diskriminierung oder die der Frauen zur Folge. Aus diesem Grund ist ein Pflichtdienst für Ultraorthodoxe nicht umsetzbar. Ein solcher Pflichtdienst würde die säkularen Grundfesten erschüttern, auf denen die Armee aufgebaut ist, die Macht der Armee-Rabbiner stärken und die Frauen zu einer diskriminierten Minderheit machen.
     
    In einer perfekten Welt wäre die Einberufung von Ultraorthodoxen kein Nullsummenspiel, und Frauen wären davon überhaupt nicht betroffen. Doch wir alle kennen die Spielregeln: der Dienst von Frauen und der Dienst von Orthodoxen gehen nicht zusammen.
     
    Die ungleiche Verteilung der Bürde des Militärdienstes ist in der Tat ein Ärgernis, doch schlimmer als das ist die ungleiche Verteilung der zivilen Bürde. Mehr noch als einen Pflichtdienst für Ultraorthodoxe zu fordern, müssten Reservisten dafür kämpfen, dass die Ultraorthodoxen nicht mehr länger die Wahl zwischen dem Armeedienst und der Fortsetzung eines subventionierten Studiums haben – eine Wahlmöglichkeit, die säkulare Altersgenossen nicht haben. Es wäre besser, die achtzehnjährigen Ultraorthodoxen zum Zivildienst einzuziehen und die weitreichenden Zuschüsse für die Jeschivot und Wohnungsvergünstigungen abzuschaffen, die in letzter Zeit eingeführt wurden.
     
    Wenn ein orthodoxer junger Mann, nach drei Jahren Zivildienst, sich genau wie sein säkularer Altersgenosse zwischen einem Studium auf eigene Kosten, Arbeit und einer Kombination aus beidem entscheiden muss; wenn Wohnraumvergünstigungen einem dreißigjährigen Säkularen genauso zustehen wie seinen orthodoxen Altersgenossen; wenn der ultraorthodoxe Sektor anfängt, seinem Bevölkerungsanteil entsprechend Steuern zu zahlen – dann haben wir echte Gleichberechtigung erreicht.
     
    (Haaretz, 15.02.12)
     




    Die Autorin ist Journalistin für TheMarker und Haaretz.
     
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