Der Status quo

Der Status quo

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     : Ynet
     
     
    ​​Von der Redaktion der Jerusalem Post, 22.02.12
     
    Die Aussetzung des ÖPNV zwischen Freitag- und Samstagabend fällt unter das, was in Israel als "Status quo" bekannt ist. Als Modus vivendi zwischen Religiösen und Säkularen, hat der Status quo, der noch aus der Zeit vor der Staatsgründung stammt, die Grenzen für religiöse Übergriffe in ziviles und öffentliches Leben im entstehenden jüdischen Staat gesetzt.
     
    Ehe und Scheidung gemäß der Halacha, koschere Mahlzeiten in allen staatlichen Einrichtungen, die Einrichtung eines staatlich finanzierten religiösen Erziehungssystems und die Befreiung religiöser Frauen – und einer kleinen Gruppe männlicher Thora-Gelehrter – vom Militärdienst sind alle Teil dieses Status quo.
     
    Oft wird irrtümlich angenommen, der Status quo sei das Ergebnis orthodoxer Erpressung. Diesem falschen Narrativ gemäß hätten die Ultraorthodoxen gedroht, sich mit dem antizionistischen britischen Außenminister Ernest Bevin gegen die Errichtung des Staates Israel zusammenzutun, wenn David Ben-Gurion und andere Führer des Yishuv nicht ihren Forderungen nach einem "jüdischeren" Staat nachkommen würden.
     
    In Wirklichkeit ist der Status quo jedoch, wie der Soziologe Menachem Friedman gezeigt hat, das Ergebnis einer Verständigung zwischen der säkularen zionistischen Führung, ultraorthodoxen Rabbinern und Politikern. Sie glaubten, dass es notwendig sei, ein Mittel zur Koexistenz zu finden, um die Einheit und den sozialen Zusammenhalt zu erreichen, die für die vielen Herausforderungen nötig waren, vor denen Israel stand, vom Unabhängigkeitskrieg und der Aufnahme hunderttausender Immigranten bis zur Errichtung der ersten jüdischen Staatlichkeit nach beinahe zwei Jahrtausenden.
     
    Es gibt immer wieder Initiativen, den Status quo aufzuheben, der sich auf einen Brief von Ben-Gurion an Yitzhak Meir Levin und andere Führer der Agudat Israel vom Juni 1947 beruft. In dem Brief verspricht Ben-Gurion, religiöse Sensibilitäten "zu berücksichtigen". Das aktuelle Beispiel für solch eine Initiative ist die Entscheidung des Tel Aviver Stadtrates vom Montag, das Verkehrsministerium um eine Erlaubnis für Busverkehr am Shabbat zu bitten.
     
    Tamar Zandber, Stadträtin von Meretz, die den mit 13 zu 7 Stimmen unter Zustimmung von Bürgermeister Ron Huldai angenommenen Vorschlag eingebracht hatte, erklärte dazu: "Es ist inakzeptabel, nach einem Arrangement zu leben, das mehr als 60 Jahre alt ist und dabei einen so wichtigen Teil unseres Lebens regelt."
     
    Es gibt tatsächlich überzeugende Argumente für die Einführung von ÖPNV am Shabbat in Tel Aviv, einer vornehmlich säkularen Stadt von einzigartigem kulturellem Charakter. Und bereits seit vor der Staatsgründung haben Haifa und Nazareth (einschließlich Nazareth Ilit) den ÖPNV am Samstag wegen ihrer großen arabischen Bevölkerung zugelassen. Ähnlich ist es in Eilat, wahrscheinlich, weil es sich dabei um eine Touristenstadt handelt und sie außerdem vom Rest Israels praktisch isoliert ist. Ähnlich ist auch die "Tel Aviver Blase" einzigartig mit ihrer bewusst säkularen Orientierung und ihrem hohen Anteil an ausländischen Arbeitern und Migranten.
     
    Bei einer Umfrage würde sich wahrscheinlich eine große Mehrheit der Tel Aviver für Busse am Shabbat aussprechen. Eine landesweite Umfrage von 2010 hat gezeigt, dass 63% aller Israelis für ÖPNV am Shabbat sind, unter den säkularen Israelis waren es sogar 93%.
     
    Dennoch würde das Zulassen von Bussen am Shabbat in Tel Aviv – der "ersten hebräischen Stadt" – eine Abweichung von der Tradition des Status quo bedeuten.
     
    Sollte eine einfache Abstimmung wirklich genug sein, um eine langjährige Tradition zu brechen, nach der man den Shabbat in der Öffentlichkeit einhält? Sollte sogar Tel Aviv – eine kosmopolitische Bastion des Säkularismus, die als das beste Ziel für Gay-Tourismus weltweit gilt – dieses Mindestmaß an Jüdischkeit aufgeben, das seine Einzigartigkeit nur noch unterstreicht? Wie stark leiden die Einwohner der Stadt wirklich darunter, dass es am Shabbat keinen ÖPNV gibt? Ist es eine Linderung dieses Leids wirklich wert, eine kulturelle und religiöse Einigung dieser Art aufzugeben?
     
    Unglücklicherweise ist es unwahrscheinlich, dass es jemals einen tiefergehenden öffentlichen Diskurs zu diesem und anderen Themen geben wird (wie z.B. ob es nicht vielleicht gut für die Umwelt ist, wenn der ÖPNV für einen Tag der Woche ruht).
     
    Teilweise liegt das daran, dass Verkehrsminister Yisrael Katz die Debatte im Keim erstickt hat, als er verkündete, er würde ein Veto gegen die Initiative des Stadtrates einlegen und so gewissermaßen Nötigung nutzt, um den Status quo zu schützen. Der öffentliche Diskurs zu diesen Themen ist in der Regel so polarisiert, dass ein echter Dialog unmöglich ist. Wir können nur hoffen, dass der Tag kommen wird, an dem eine echte freie und offene Debatte – und auch eine Neubewertung – des Status quo möglich ist.
     
    Die im Newsletter veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.
     
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