Antisemitismus in akademischem Gewand

Jenseits legitimer Kritik

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     : Muns
     
     
    Von Matan Gutman, Haaretz, 06.03.12
     
    Jeder israelischer Student an einer amerikanischen Universität lernt schnell, dass die wirklich wichtigen akademischen Veranstaltungen in den Mittagspausen stattfinden, wo man einen "Non-Pizza Lunch" erhält. So bekommt man ein kostenloses Mittagessen und kann nebenbei auch noch seinen Horizont erweitern.

    Eine solche Veranstaltung fand letzte Woche in der Harvard Law School statt, es ging um den Fall Khader Adnan und die Administrativhaft in Israel. Anders als bei vorherigen Events hinterließ dieses Mittagessen bei mir einen bitteren Nachgeschmack.
     
    Eine ganze Stunde lang präsentierten die Organisatoren vor vollem Saal den Staat Israel in düsterem Licht und ließen sich dabei von Fakten nicht beirren. Ich bin mir sicher, dass ein zufälliger Zuhörer, der sich mit den Details des israelisch-palästinensischen Konflikts nicht auskennt, nun davon überzeugt ist, dass Israel nur zum Spaß Palästinenser in Verwaltungshaft steckt.
     
    Nicht ein Wort fiel über den palästinensischen Terrorismus oder die Tatsache, dass kein anderer Staat der Welt es administrativen Gefangenen gestattet, sich direkt an das Oberste Gericht zu wenden, so wie es beispielsweise im Fall von Adnan geschehen ist.

    Auch wurde ganz selbstverständlich mit zweierlei Maß gemessen – schließlich setzt nur wenige Dutzend Kilometer vom Krankenbett Adnans in Israel der syrische Präsident Bashar al-Assad das Massaker an seinem Volk fort. Doch die israelische Politik ist natürlich die schwerwiegendste Verletzung der Menschenrechte in der Region und fordert eine unverzügliche akademische Debatte.
     
    Das Recht eines jeden, Israel zu kritisieren – und in einem Teil der Fälle sicher zu Recht – liegt im Wesen der Demokratie begründet. Doch die vergangenen Tage hier in Harvard geben mir das Gefühl, dass sich unter dem Deckmantel des akademischen Diskurses noch etwas anderes verbirgt. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als ich mich an die Organisatoren der Veranstaltung wandte und mich vorstellte: Die Palästinenserin, die die Konferenz organisiert hatte, hörte sofort auf zu Lächeln, und ihre Empfindungen angesichts meines Satzes „Ich bin Israeli“ waren nicht zu übersehen.
     
    Und diese Veranstaltung war nur der Anfang. In dieser Woche beschäftigte sich die jährlich stattfindende Diskussionsveranstaltung der Harvard Law School mit der Frage "Kann Israel ein jüdischer und demokratischer Staat sein?". Auch bei dieser, noch relativ ausgeglichenen, Veranstaltung waren Positionen zu hören, die das Existenzrecht des Staates Israel in Frage stellten. Der Vergleich mit Deutschland in den 1930er Jahren lag nicht mehr fern.
     
    Doch der Höhepunkt war die Konferenz "Die Einstaatenlösung", die am vergangenen Wochenende stattfand. Die Konferenz, die von Studenten unter der Schirmherrschaft der Universität organisiert worden war, versuchte, der Delegitimierung des Staates Israel einen akademischen Anstrich zu verleihen. Auf dieser Konferenz wurde Israel bereits in einem Atemzug mit dem Wort "Apartheid" genannt. Die israelische Position wurde durch solche "Unterstützer" Israels und des Zionismus repräsentiert wie den anti-zionistischen Historiker Dr. Ilan Pappé. (Alan Dershowitz hat richtig angemerkt, es wäre interessant zu sehen, wie Harvard reagiert hätte, wenn eine Gruppe von Studenten eine Konferenz unter dem Titel "Gibt es ein palästinensisches Volk?" hätte abhalten wollen und nur Wissenschaftler eingeladen hätte, die diese Frage mit „Nein“ beantworten.)
     
    Das ist kein echter akademischer Diskurs und keine legitime Kritik, sondern einfach ein Versuch, eine Diskussion über die Frage zu führen, ob das jüdische Volk das Recht auf einen Staat hat – um darauf eine negative Antwort zu geben. Das ist Antisemitismus getarnt als akademischer Diskurs. Es handelt sich hier nicht um eine Konferenz in einer unbekannten Institution oder um Ereignisse an Universitäten in Europa, dort sind solche Vorkommnisse schon bekannt. Es handelt sich um eine antisemitische Konferenz an einer der wichtigsten akademischen Institutionen der Welt.
     
    Ich bin daher stolz, Mitglied einer Gruppe israelischer Studenten zu sein, die die erste "Harvard – Israel"-Konferenz organisiert. Diese Konferenz wird die israelische Innovationskraft und lebendige Gründerszene präsentieren und – wichtiger noch – originelle Ansätze und wirtschaftliche Lösungen für Frieden und Koexistenz zwischen den Völkern. Wenn beide Seiten – Israelis und Palästinenser – einen positiven Ansatz entwickeln, die Legitimität des jeweils anderen anerkennen und sich nicht damit beschäftigen, Hass zu verbreiten, wird unser aller Zukunft besser werden.

    Der Autor ist Rechtsanwalt und Student der Rechtswissenschaften an der Harvard-University.
     
    Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.
     
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