Der historische Kontext
Jüdisches Siedeln im Westjordanland (historisch Judäa und
Samaria) wird oft lediglich als modernes
Phänomen dargestellt. Vielmehr gibt es jüdisches Leben in diesem Gebiet seit
Jahrtausenden und wurde im Mandat für Palästina als legitim anerkannt, das 1922
vom Völkerbund verabschiedet wurde und die Schaffung eines jüdischen Staates in
der historischen Heimat des jüdischen Volkes vorsah.
Nachdem „die historische Verknüpftheit des jüdischen
Volkes mit Palästina“ und „die Grundlagen für die Wiedererrichtung seiner
nationalen Heimstätte“ anerkannt wurden, legt das Mandat in Artikel 6 folgendes
fest:
„Die Verwaltung Palästinas soll unter der Sicherung,
dass die Rechte und die Lage anderer Teile der Bevölkerung nicht beeinträchtigt
werden, die jüdische Einwanderung unter geeigneten Bedingungen erleichtern und
in Zusammenarbeit mit der „Jewish Agency“ eine geschlossene Ansiedlung von
Juden auf dem Lande, mit Einschluss der nicht für öffentliche Zwecke
erforderlichen Staatsländereien und Brachländereien, fördern.“
Einige jüdische Siedlungen, wie in Hebron, existierten
in den Jahrhunderten ottomanischer Herrschaft durchgehend, während Siedlungen
wie Neve Ya’acov nördlich von Jerusalem, der Siedlungsblock Gush Etzion im
südlichen Judäa und die Gemeinden nördlich des Toten Meeres während der britischen
Mandatsverwaltung vor der Gründung des Staates Israel und in Übereinstimmung
mit dem Völkerbundsmandat entstanden.
Viele der heutigen israelischen Siedlungen sind
überhaupt erneute Gründungen an Orten, wo jüdische Gemeinschaften voriger
Generationen sich niedergelassen hatten, und somit Ausdruck der innigen und
beständigen Verbundenheit des jüdischen Volkes mit diesem Land – der Wiege der
jüdischen Zivilisation sowie dem Schauplatz der wichtigsten Ereignisse des
Tanach (der hebräischen Bibel).
Eine beträchtliche Anzahl befindet sich an Orten, wo
frühere jüdische Gemeinschaften von arabischen Armeen oder Milizen gewaltsam
vertrieben oder sogar hingeschlachtet wurden, wie im Fall der ehemaligen
jüdischen Gemeinde von Hebron im Jahr 1929.
In über 1000 Jahren war es allein die jordanische
Besatzungsmacht, die jüdische Siedlungen in diesen Gebieten verbot, indem sie
während der neunzehn Jahre ihrer Herrschaft (1948-1967) den Landverkauf an
Juden zum Kapitalverbrechen erklärte.
Das Recht von Juden, sich in diesen Gebieten
anzusiedeln, und die erworbenen privaten Eigentumstitel für das Land konnten
durch die jordanische Besatzung rechtlich nicht annulliert werden, da diese
eine Folge der unrechtmäßigen bewaffneten Invasion Israels im Jahr 1948 war und
international nie als rechtmäßig anerkannt wurde. Daher behalten solche Rechte
und Urkunden bis zum heutigen Tage ihre Gültigkeit.
Kurz gesagt, ist der Versuch, jüdische Gemeinschaften
im Westjordanland als neue Form „kolonialer“ Siedlungen auf dem Land einer
fremden Staatsmacht darzustellen, so unaufrichtig wie politisch motiviert. Zu
keinem Zeitpunkt der Geschichte befanden sich Jerusalem und das Westjordanland
unter palästinensisch-arabischer Hoheit. Der noch zu entscheidende Streitpunkt
betrifft das Recht von Juden, ihren Wohnsitz in ihrer historischen Heimat zu
haben, Seite an Seite mit palästinensisch-arabischen Gemeinschaften, als
Ausdruck der Verbindung beider Völker mit diesem Land.
Humanitäres Völkerrecht im Westjordanland und dem
Gazastreifen
Das Humanitäre Völkerrecht oder Kriegsvölkerrecht
verbietet die Umsiedlung von Teilen der Bevölkerung eines Staates auf das
Territorium eines anderen Staates, den es unter Anwendung von Waffengewalt
besetzt hat. Dieser Grundsatz, der sich in Artikel 49(6) des Genfer Abkommens
IV (1949) niederschlägt, wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und als
Reaktion auf spezifische Vorkommnisse in diesem Krieg formuliert.
Wie der maßgebende Kommentar des Internationalen Roten
Kreuzes zu der Konvention bestätigt, war der Grundsatz dazu bestimmt, die
einheimische Bevölkerung vor Vertreibung zu schützen, einschließlich der
Gefährdung ihrer ethnischen Eigenständigkeit, womit Bezug auf die erzwungene
Bevölkerungsumsiedlung vor und während des Krieges in der Tschechoslowakei,
Polen und Ungarn genommen wurde.
Ganz abgesehen von der Frage, ob das Genfer Abkommen
IV de jure auf Gebiete wie das Westjordanland anwendbar ist, das zu keinem vorigen
gesetzmäßigen Herrschaftsbereich gehörte, stimmt der Fall von Juden, die sich
freiwillig ein Zuhause und Gemeinschaften in ihrer historischen Heimat
aufbauen, und zwar Seite an Seite mit palästinensischen Gemeinschaften, einfach
nicht überein mit der Art erzwungener Bevölkerungsumsiedlung wie sie Artikel
49(6) behandelt.
Wie Professor Eugene Rostow, ehemaliger
US-Staatssekretär für politische Angelegenheiten, schrieb: „Das jüdische Recht
auf Siedlung in dem Gebiet ist dem Recht der örtlichen Bevölkerung auf ein
Leben dort in jeder Hinsicht gleichwertig.“ (AJIL, 1990, Vol. 84, S. 72) Die
Bestimmungen von Artikel 49(6) bezüglich Zwangsumsiedlung auf besetztes
Hoheitsgebiet sollten nicht so gesehen werden, dass sie die freiwillige
Rückkehr von Einzelpersonen in die Städte und Dörfer verbieten, aus denen sie
oder ihre Vorfahren gewaltsam vertrieben wurden. Genauso wenig verbietet der
Artikel die individuelle Besiedlung von
Land, das keiner gesetzmäßigen staatlichen Autorität unterliegt und sich nicht
in Privatbesitz befindet.
Diesbezüglich sollte angemerkt werden, dass
israelische Siedlungen im Westjordanland erst nach eingehenden Nachforschungen
errichtet wurden, unter der Aufsicht des Obersten Gerichtshofs Israels, auch
als Appellationsgericht, wodurch gewährleistet werden soll, dass keine
Gemeinschaften illegal auf Privatland errichtet werden.
Ebenso wenig, wie die Siedlungen im Westjordanland die
Bestimmungen von Artikel 49(6) des Genfer Abkommens IV verletzen, stellen sie
„schwerwiegende Verletzungen“ des Genfer Abkommens IV oder „Kriegsverbrechen“
dar, wie einige behaupten. Sogar der Ansicht entsprechend, dass diese
Siedlungen mit Artikel 49(6) unvereinbar sind, wurde die Auffassung, dass
solche Verstöße „schwerwiegende Verletzungen“ oder ein „Kriegsverbrechen“
darstellen, tatsächlich erst (auf politischen Druck arabischer Staaten hin) in
die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen von 1977 aufgenommen, die von
führenden Staaten einschließlich Israel nicht mitgetragen werden, so dass sie
in dieser Hinsicht kein gängiges internationales Recht abbilden.
Rechtlich gesehen, lässt sich die West Bank am besten
als Territorium bezeichnen, auf das konkurrierende Ansprüche erhoben werden,
die in Friedensprozess-Verhandlungen gelöst werden sollten – und genauso haben sich sowohl Israel als auch die
palästinensische Seite darauf festgelegt. Israel kann berechtigte Ansprüche auf
dieses Gebiet anmelden, die sich nicht nur auf die historische jüdische
Verbindung mit und die lange Ansässigkeit in diesem Land gründen, auf dessen
Zuteilung zum jüdischen Staat unter dem Völkerbundsmandat sowie auf Israels
anerkanntes Recht auf Grenzsicherung, sondern auch auf die Tatsache, dass das
Gebiet vormals nicht unter der legitimen Hoheit irgendeines Staates war und in
einem Selbstverteidigungskrieg unter israelische Kontrolle kam. Gleichzeitig
erkennt Israel an, dass auch die Palästinenser Ansprüche auf dieses Gebiet
erheben. Aus diesem Grund sind beide Seiten ausdrücklich übereingekommen, alle
ausstehenden Fragen einschließlich der Zukunft der Siedlungen in direkten
bilateralen Verhandlungen zu lösen, an denen Israel weiterhin festhält.
Israelisch-palästinensische Vereinbarungen
Die bilateralen Übereinkünfte, die zwischen Israel und
den Palästinensern getroffen wurden und ihre Beziehungen regeln, beinhalten
kein Verbot von Siedlungsbau bzw. -ausbau. Es ist im Gegenteil speziell
vorgesehen, das Thema der Siedlungen bis zu dauerhaften Status-Verhandlungen
auszusparen, was die beiderseitige Einsicht widerspiegelt, dass dieses Thema
nur im Rahmen anderer dauerhafter Statusfragen wie z.B. Grenzen und Sicherheit
zu lösen ist. Die Parteien haben sogar ausdrücklich – im Israelisch-Palästinensischen
Interimsabkommen von 1995 – übereingestimmt, dass die palästinensische Autonomiebehörde
keine juristische Zuständigkeit oder Kontrolle über Siedlungen oder Israelis
hat und die Siedlungen bis zum Abschluss eines dauerhaften Statusabkommens
ausschließlich israelischer Gerichtsbarkeit unterstehen.
Es ist die Anschuldigung vorgebracht worden, dass das
im Interimsabkommen (Artikel 31(7)) enthaltene Verbot einseitiger Schritte zur
Änderung des „Status“ des Westjordanlands und des Gazastreifens einen
Siedlungsbaustop impliziere. Dieser Standpunkt ist haltlos.
Besagtes Verbot wurde beschlossen, um zu verhindern,
dass eine Seite Schritte unternimmt, die vorgeblich den rechtlichen Status
dieses Gebiets verändern (wie z.B. durch Annexion oder eine einseitige
Erklärung der Eigenstaatlichkeit), da die Ergebnisse dauerhafter
Statusverhandlungen noch ausstehen.
Wenn dieses Verbot sich auf Bautätigkeit bezöge – und
da die Vorkehrung gleichermaßen auf beide Seiten anzuwenden ist – würde das zu
der fragwürdigen Interpretation führen, dass keine Seite befugt ist, Wohnhäuser
zu bauen und somit für die Bedürfnisse ihrer betreffenden Bevölkerungsgruppe zu
sorgen, bis dauerhafte Statusverhandlungen erfolgreich abgeschlossen sind.
In diesem Zusammenhang waren Israels Maßnahmen zur
Auflösung aller Siedlungen in Gaza und einiger im nördlichen Westjordanland im
Zuge des Abzugplans von 2005 einseitige israelische Gesten des guten Willens,
und nicht etwa die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung.
Zusammenfassende Feststellungen
• Versuche, die jüdischen Siedlungen in der West Bank
(historisch Judäa und Samaria) als illegal und in ihrer Natur „kolonial“
darzustellen, ignorieren die Komplexität dieses Themas, die Geschichte des
Landes sowie die besonderen rechtlichen Umstände dieses Falles.
• Jüdische Gemeinschaften existieren in diesem Gebiet
seit Menschengedenken und sind Ausdruck der innigen Verbundenheit des jüdischen
Volkes mit dem Land, das die Wiege seiner Zivilisation ist, wie vom Völkerbundsmandat
für Palästina bekräftigt, und von dem sie oder ihre Vorfahren vertrieben
wurden.
• Das Verbot gewaltsamer Umsiedlung von Zivilisten auf
das Territorium eines besetzten Staates gemäß dem Genfer Abkommen IV war nicht
so zu verstehen, dass es sich auf die Umstände freiwilliger jüdischer Siedlung
im Westjordanland anwenden lässt, auf rechtmäßig erworbenem Land, das nicht zu
einem vorigen gesetzmäßigen Hoheitsgebiet gehörte und vom Völkerbundsmandat als
Teil des jüdischen Staates ausgewiesen war.
• Bilaterale israelisch-palästinensische
Vereinbarungen bestätigen speziell, dass Siedlungen bis zum Ergebnis von
Friedensverhandlungen übereinstimmend und ausschließlich israelischer
Gerichtsbarkeit unterstehen, und sie verbieten keine Siedlungsaktivitäten.
• Israel hält weiterhin an Friedensverhandlungen ohne
Vorbedingungen fest, um alle ausstehenden Fragen und konkurrierenden Ansprüche
zu klären, und lädt die Palästinenser ein, ein Gleiches zu tun. Es ist zu
hoffen, dass solche Verhandlungen zu einer einvernehmlichen friedlichen
Einigung führen werden, die der Verbindung von
Juden und Palästinensern mit diesem uralten Land einen
gesetzlichen Ausdruck verleiht.