Wenn „Gute Nachbarschaft“ Leben rettet

Wenn „Gute Nachbarschaft“ Leben rettet

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    Ein syrischer Säugling auf dem Arm eines Soldaten der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte Ein syrischer Säugling auf dem Arm eines Soldaten der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte copyright: © IDF
     
     
    Michael Harari hat schon viel gesehen. Als Arzt auf der Intensivstation behandelt er oft Patienten nach Unfällen. "Aber auf das, was über die syrische Grenze zu uns gekommen ist, war ich nicht vorbereitet", sagt er. "Und ich bin es bis heute oft nicht".

     

    Harari trägt ein buntes T-Shirt, mit seiner Glatze sieht er ein bisschen aus wie eine israelische Version von Picasso. Er arbeitet auf der Kinderstation im Ziv-Krankenhaus im Norden Israels, nur 20 Kilometer von der Grenze und damit vom Bürgerkrieg in Syrien entfernt. Seit fünf Jahren nimmt Israel schwer verletzte Zivilisten von dort auf. Israelische Soldaten lassen sie über die streng bewachte Grenze. Zu Beginn waren es nur einzelne Fälle, doch daraus wurden bis heute mehr als 3500 Patienten, die in israelischen Krankenhäusern behandelt wurden. Unter ihnen sind viele Kinder, mehr als 1000 davon alleine im Ziv Krankenhaus.

     

    Für die kleine Klinik im Norden Galiläas, einst gebaut zur medizinischen Versorgung der rund 30.000 israelischen Bürger in der Gegend, ist das eine große Herausforderung. Aber Arzt Michael Harari hat darin eine Lebensaufgabe gefunden – und das, obwohl er nun täglich mit Verletzungen zu tun hat, die die Folge von Explosionen und anderen Angriffen sind. "Schlimmer war für mich die Zeit, als wir nichts für die Menschen tun konnten", sagt er. Das war zu Beginn des Krieges, als man im Norden Israels die Bomben und das Gewehrfeuer hören konnte, aber aus Sicherheitsgründen nicht daran zu denken war, Menschen über die Grenze zu lassen. Syrien und Israel befinden sich völkerrechtlich im Kriegszustand. Und auch die Miliz Hisbollah treibt ihr Unwesen jenseits der Grenze.

     

    90 Prozent der Verletzten Syrer sind Männer, darunter auch Kämpfer mit langen Bärten. Sie werden im Krankenaus nicht gefragt, was sie gemacht haben. Allein: dass es keine Soldaten der Syrischen Armee oder gar Terroristen sind, da scheint man sich sicher zu sein. Die Armee kontrolliert die Menschen, die Hilfe suchen. Oft kommen Eltern, die ihre schwer verwundeten Kinder bringen, sie dürfen dann gemeinsam im Krankenhaus bleiben. Aber manchmal kommen Kinder auch allein, weil ihre Eltern nicht mehr leben. Einmal war es eine Gruppe von gleich fünf Kindern, einer der Jungs war erst vier Jahre alt.

     

    Von der medizinischen Versorgung in Syrien funktioniert höchstens noch ein Drittel, schätzt man in Israel. In manchen Gegenden ist sie völlig zusammengebrochen. So haben die meisten Verletzten in ihrem Heimatland höchstens eine notdürftige Erstversorgung erhalten.

     

    Dann standen sie vor der Wahl: Israel um Hilfe bitten oder sterben.

     

    18 Tage bleiben die Patienten im Schnitt. Nach Syrien zurück kehren sie alle. Inzwischen kommen manche sogar nach einigen Wochen zurück, zur Nachsorge und Reha. Dass sie zurückkommen, hat damit zu tun, dass die Israelis es erlauben. Aber auch damit, dass sich in Syrien herumgesprochen hat, dass die Israelis nicht die Teufel sind, als die man sie dort schon den Kindern beschreibt.

     

    Am Anfang wachten Patienten nach der Operation auf und gerieten noch mal unter Schock, weil sie in Israel waren. Das erzählt Sozialarbeiter Faris, der die Patienten im Krankenhaus in seiner und ihrer Muttersprache Arabisch betreut. Die ersten Patienten dachten, sie seien in den Händen des schlimmsten Feindes. Die Anti-Israel Propaganda sitzt tief in den Köpfen, und noch immer ist es nicht ohne Probleme für viele Syrer, sich von Israel helfen zu lassen. Um sie nicht zu gefährden, wird ihre Identität geschützt. So gibt es keine Fotos, auf denen Gesichter zu erkennen sind. Und wenn sie entlassen werden, dann meist mit Medikamenten in der Tasche, auf denen keine hebräische Schrift zu lesen ist.

     

    Doch in Syrien hat sich längst herumgesprochen, dass man der Hilfe in Israel vertrauen kann.

     

    Für die Mutter von Ahmad (13) war das keine Frage. Ihr Sohn wurde bei einem Luftangriff durch Splitter verletzt, beinahe hätte er sein rechtes Bein verloren. Unter der Bettdecke ragt eine Schraube hervor, der Junge lächelt die Besucher müde an. Es wird lange dauern, bis er wieder laufen kann. Immerhin hat er sich das iPad von einem der Pfleger geliehen und schaut eine Serie auf Arabisch. Neben ihm steht seine Mutter, in der Verschleierung einer streng religiösen Muslima. Über die Zeit nach der Verletzung ihres Sohnes sagt sie: "Ich habe gebetet dafür, dass wir nach Israel kommen."

     

    "Die Angst ist inzwischen verschwunden", sagt auch Arzt Michael Harari. Es habe sich unter den Syrern herumgesprochen, wie gut die Behandlung sei. "Das berührt mich sehr."

     

    Auch wenn die Ursache sehr traurig ist: Medizinisch habe sein Team viel gelernt durch die schweren Kriegsverletzungen, erklärt Harari. So wurde im Ziv-Krankenhaus eine Methode entwickelt, um Gliedmaßen zu erhalten, die sonst amputiert worden wären. Die verdrehten Körperteile werden zunächst weder gestreckt, noch gerichtet. Stattdessen operieren Ärzte an Blutversorgung und den Zellen. Wenn das gelungen ist, werden die Gliedmaßen langsam gerichtet. Das dauert lange, ist schmerzhaft und braucht intensive Behandlung. Aber dadurch bleibt es vielen Patienten, vor allem Kindern, erspart, eine Prothese zu tragen. Die  Methode war bereits im Jahr 2014 bei israelischen Soldaten angewendet worden, die während der Militäroperation im Gazastreifen verletzt wurden, erzählt Harari. Er spricht ruhig und bescheiden. Aber er weiß, dass er am richtigen Ort das Richtige tut. Er sagt: "Früher waren wir hier im Norden eher medizinisches Hinterland, jetzt kommen Patienten aus ganz Israel zu uns." Auch wenn es im Land nicht immer ohne Konflikte bleibe, dass viele der Betten nun für Syrer verwendet werden, nicht für Israelis.

     

    Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte haben das Projekt ausgeweitet, auf Kinder, die an chronischen Krankheiten leiden, Epilepsie, Diabetes, Nierenschäden. Krankheiten, die gut behandelt werden können, in Syrien derzeit aber tödlich enden können.  „Gute Nachbarschaft“ ist heute der offizielle Name der Operation.

     

    Militärarzt Sergei Kutikov (Foto: Botschaft)Einer der Ärzte ist Sergei Kutikov. Er steht auf dem Berg Bental, ein weiteres Stück nördlich vom Ziv-Krankenhaus. Von hier, in 1.171 Metern Höhe, schaut man direkt nach Syrien. Hier oben ist ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Unten ist die Hölle. Dort sind Dörfer zu sehen und ein kleines Städtchen, nachts blitzen in der Gegend die Mündungsfeuer der Gewehre auf. Zivilisten und die wenigen Ärzte und Pfleger, die da unten noch leben, hatten Kontakt mit israelischen Soldaten aufgenommen und um Hilfe gebeten. "Inzwischen telefonieren wir täglich" sagt Sergei Kutikov. "Das geht ganz einfach." Er hört sich an, was die Ärzte drüben für ihre Patienten brauchen und die Armee bringt es zur Grenze. "Aber nach Syrien rein gehen wir nie". Schwerkranke Kinder kommen ins Krankenhaus. Der Militärarzt hat einen Ordner mit Fotos dabei, er ist voller Bilder mit Kindern und Briefen. Briefen von syrischen Eltern, in denen sie Israel danken. Darin steht, dass sie sich auf den Frieden freuen. Auf das Leben mit ihren Nachbarn, die sie so sehr mögen.

     

    (Botschaft des Staates Israel, 21.06.18)

     

    Der Besuch im Ziv-Krankenhaus ist Teil einer Pressereise des israelischen Außenministeriums. Die teilnehmenden Journalisten aus Deutschland haben unter anderem den Grenzübergang Kerem Shalom am Gazastreifen besucht, wo jedes Jahr 16.000 LKW mit Nahrung und Gütern an den von der Terrororganisation kontrollieren Gazastreifen überführt werden. Sie haben Hintergrundgespräche geführt und Experten aus Politik, Medien, Sicherheit und Cybersecurity getroffen.​

     
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