Staatspräsident Reuven Rivlin hat sich von Montag bis Mittwoch auf Staatsbesuch in Spanien befunden und ist am Dienstag von dem spanischen Premierminister Mariano Rajoy zu einem Arbeitstreffen empfangen worden.
Spanien und Israel begehen derzeit das 30-jährige Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Rivlin betonte vor Beginn des Treffens die Einzigartigkeit der Beziehungen. Er dankte dem Premierminister für seinen herzlichen Empfang und unterstrich den Wunsch Israels, die bestehenden Verbindungen auf den Feldern Sicherheit, sowie Wirtschaft und Innovation zu wahren und noch weiter zu vertiefen. „Das Geheimnis unserer Beziehungen ist eine enge Verbindung, nicht nur zwischen zwei Staaten, sondern auch zwischen zwei Völkern“, so der Präsident und fügte hinzu: Die historischen Wurzeln vieler israelischer Familien befinden sich hier.“
Rivlin verlieh seinem Beileid angesichts des Terrors Ausdruck, der Spanien im vergangenen August ereilt hatte und betonte, dass die gesamte freie Welt ihre Kräfte vereinen müsse, um die Auslöschung des Terrorismus sicherzustellen. „Terrorismus und religiöser Extremismus sind eine weltweite Bedrohung, die uns alle betrifft. Unglücklicherweise haben wir darin Erfahrung, ihm gegenüberzustehen und sind bereit, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dazu beizutragen, dieses Phänomen zu bekämpfen.“
Nach dem Treffen wurde in Gegenwart des Staatspräsidenten und des Premierministers ein Kooperationsabkommen unterschrieben, das das historische Abkommen erneuert, welches von beiden Ländern 1987 unterzeichnet wurde. Das Abkommen wurde von den Botschaftern beider Länder unterzeichnet und schloss Kooperationen auf verschiedenen Feldern, und Absichtserklärungen zu den Themen Erziehung, Kultur, Wissenschaft, sowie auch Stipendien für Studierende und Lehrende ein. Darüber hinaus erklärten beide Länder, gemeinsam für eine bessere Erziehung auf den Gebieten Antisemitismus und Holocaust zu arbeiten.
Am Montag waren Staatspräsident Rivlin und seine Gattin Nechama Rivlin von König Felipe VI und Königin Letizia im Königspalast mit militärischen Ehren empfangen worden. Am Dienstag hatte Rivlin vor dem spanischen Parlament gesprochen. In seiner Rede sagte er:
„In der Überlieferung meines Volkes ist Spanien nicht nur ein Ort, es ist noch nicht einmal nur eine Kultur: Spanien ist eine Idee. Auf diesem Land, am Treffpunkt der Zivilisationen lebten in ungekannter Nähe Christentum, Islam und Judentum. Hier, in diesem einzigartigen Treffpunkt erblühten, wuchsen und formten sich die kanonischen kulturellen Werte meins Volkes, darunter ein Kommentar zur Hebräischen Bibel, hebräische Dichtung, hebräische Grammatik, jüdisches Recht, der Talmud, die Kabballah und jüdische Philosophie, Wissenschaft, Medizin, Astronomie und Geographie. Es gibt kein Feld jüdischer Kreativität, das nicht eine seiner Schichten hier, in Spanien gebildet hätte, es gibt kein Gebiet, auf dem nicht spanische Einflüsse bis heute in der Spiritualität und Gesellschaft Israels wiederhallen.
Die Beziehung zwischen unseren beiden Gemeinden war nicht immer harmonisch. Pogrome, Morde, Misshandlungen und öffentliche Demütigung waren Teil des täglichen jüdischen Lebens, sowohl während des Goldenen Zeitalters, als auch in den Jahrzehnten danach. Diese Ereignisse kulminierten im Alhambra-Dekret von 1492. Das Exil der spanischen Juden riss ein Loch in die lange und wechselhafte Geschichte jüdischen Lebens und Schaffens in Spanien. Dieses Exil schadete nicht nur dem jüdischen, sondern auch dem spanischen Volk. Die gesamte jüdische Welt änderte sich im Lichte dieser Vertreibung. Ob wir es mögen oder nicht: ein großer Teil der Wurzeln der kulturellen DNS des jüdischen Volkes trägt die Genome der spanischen Kultur. Wir haben niemals eine normale Beziehung gehabt. Unsere Nationen sind miteinander in einem gemeinsamen und besonderen Band von Früchten und Effekten vieler Jahrhunderte verwoben.
Die besondere Beziehung zwischen unseren Ländern ist nicht nur eine Empfindung der Vergangenheit. Sogar heute gibt es mehr, das uns verbindet, als das, was uns teilt. In den vergangenen Jahren, und besonders nach dem arabischen Frühling, ein Frühling, der sich in einen Winter verwandelt hat, sehen wir einmal mehr die Schwierigkeit der Etablierung des Rechts der Demokratie in vielen der Staaten, die uns umgeben. Mit unseren eigenen Augen sehen wir, wie schwer es ist, demokratische Freiheiten einzurichten und noch mehr, sie auch umzusetzen.
Spanien und Israel sind zwei sehr junge demokratische Staaten, und dies beinhaltet eine große Stärke. Zwei Demokratien, die Versuchungen und Mühsal gegenüber stehen, auswärts und zu Hause, und fähig sind, dies zu tun. Die Freundschaft zwischen Israel und Spanien ist eng und anhaltend. Spanien ist für uns ein Land, eine souveräne Einheit, und die Probleme, denen es gegenübersteht, sind interner Natur. Unsere Beziehungen zu allen Bürgern Spaniens liegen uns am Herzen, und wir beten darum, dass die gegenwärtige Herausforderung durch Verständigung gelöst werden kann.
Auf beiden Seiten des Mittelmeers stehen wir als Leuchtturm dieser Werte; der Werte von Demokratie, Werte von Gleichheit und Freiheit, Werte von Toleranz und Frieden. Die Fähigkeit, die grundlegenden Prinzipien einer liberalen Demokratie nicht aufzugeben, charakterisiert auch unseren gemeinsamen Weg im Kampf gegen den Terror. Viele Demokratien reagieren auf mörderischen Terror und antinationale Wellen mit antidemokratischer und antiliberaler Gesetzgebung. Nicht so Spanien, nicht so Israel. Sogar nach dem brutalen Terroranschlag, auf der Rambla in Barcelona und sogar nach dem furchtbaren Anschlag auf den Bahnhof Atoch, haben Sie sich an diesem schrecklichen Morgen 2004 nicht vor Ihrer Verpflichtung zum Rechtsstaat und Bürgerrechten gedrückt. Sie haben sich nicht in Hysterie oder Populismus ziehen lassen. Und Sie bekämpfen immer noch den Terrorismus, effizient und mit starker Hand, und Sie haben die Demokratie und Toleranz in der spanischen Gesellschaft gewahrt. Die israelische Gesellschaft, das jüdische Volk und der Staat Israel kämpfen bereits seit 70 Jahren gegen Terroranschläge und endlose Kriege.
Erst vor zwei Wochen wurde auf israelischem Gebiet ein Terrortunnel der Hamas entdeckt, ein Tunnel, der Terroristen auf ihrem Weg dienen sollte, israelische Zivilisten zu ermorden. Während wir unablässig das Leben unserer, jüdischen und arabischen, Zivilisten, schützen müssen, sind wir auch immer der Beibehaltung der schwierigen Balance zwischen den Sicherheitserfordernissen und den Rechten des Individuums und dem Rechtsstaats verpflichtet. Wir dürfen nicht, kein Land darf, dem Terrorismus gestatten, den Sieg zu erlangen, indem er die Demokratie von innen heraus zerstört.“
Bezugnehmend auf die Madrider Friedenskonferenz sagte der Staatspräsident: „Israel hat immer Frieden mit seinen Nachbarn gewollt. Der Kampf für den Frieden ist zu einer der Kräfte geworden, die Israel und Spanien in unserer Zeit zusammengeschweißt haben. Sogar heute, wo der Friedensprozess ins Stocken geraten ist, bleibt er der leitende Kompass. Wir freuen uns darauf, dass dieser Prozess beendet wird, in Form eines Friedensabkommens, das durch Verhandlungen erreicht wird, während zwischen den Parteien Vertrauen aufgebaut wird. In diesem Jahr feiern wir 70 Jahre seit Gründung des Staates Israel und 100 Jahre seit der Balfour-Erklärung, die das Recht des jüdischen Volkes auf die Errichtung einer nationalen Heimstätte anerkennt. Unglücklicherweise ist der Staat Israel auch 70 Jahre nach seiner Gründung noch in seiner Existenz bedroht.
Iranische Drohungen, Israel zu zerstören, können nicht toleriert werden. Besonders, wenn solche Stimmen aus einem Land kommen, das Exportweltmeister im mörderischen globalen Terror und für die Instabilität in Syrien, im Libanon, im Irak und der gesamten Region ist. Wir erwarten von den Freunden Israels weltweit, Stellung zu beziehen und neuerliche Versuche, das jüdische Volk auszulöschen, sei es durch Taten oder Worte, nicht zu akzeptieren.“
Zur Barcelona-Konferenz für eine Euro-mediterrane Freihandelszone und dem Prozess, der wegen der Weigerung einiger Staaten beschädigt wurde, mit Israel zu kooperieren, erklärte Rivlin: „Ich glaube, wir dürfen Politik nicht Kooperation verhindern lassen und nicht zulassen, dass sie unser aller Wunsch und Fähigkeit entgegensteht, gut zu einander zu sein. Ich erwarte, dass Spanien weiterhin eine Stimme sein wird, die die Wichtigkeit von Kooperationen beton, eine Stimme, die Boykotte nicht unterstützt. Auch in diesem Haus gibt es solche, die – manchmal sehr barsch – israelische Politik kritisieren. Doch es muss eine Grenze zwischen Kritik und Boykott geben. Jeder, der versucht, dem Staat Israel durch Boykotte und Delegitimierung zu schaden, sabotiert ganz persönlich die Chance, das jemals eine Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt gefunden wird, und findet sich damit auf der falschen Seite der Geschichte. Viele sprechen über Israel und wissen nichts darüber und haben es niemals besucht. Israel ist, ebenso wie oder vielleicht mehr noch als Spanien, eine sehr vielfältige Gesellschaft. Jeder fünfte Bürger Israels ist Araber. Wir betrachten diese Heterogenität nicht als Schwäche, sondern als Stärke. Für uns ist eine vielfältige Gesellschaft eine wichtige Komponente unseres Humankapitals. Ich lade Sie alle ein, Israel zu besuchen und es selbst anzusehen und in einem tieferen Kontext zu verstehen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sie überrascht sein werden.
Wir können nicht zulassen, dass der Traum von einem Mittelmeerraum als Region kultureller und sozialer Kooperation eine Utopie bleibt. Das Mittelmeer ist für so viele eine Fluchtroute, solche wie die Flüchtlinge aus Afrika und Syrien. Fürchterlicher Weise haben zu viele auch ihr Leben in der See verloren. Gemeinsam können Israel und Spanien eine andere Realität schaffen. Wir haben die Möglichkeit, gemeinsam starke und mutige Brücken zu bauen, zwischen den beiden Seiten des Mittelmeers und schon heute den Traum in eine Realität zu verwandeln.“
Der Staatspräsident beendete seine Rede, indem er von den Feiern zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Spanien vor 30 Jahren durch den damaligen israelischen Premierminister und späteren Staatspräsidenten Shimon Peres und den damaligen spanischen Premierminister Felipe Gonzáles sprach. „Diese Beziehungen wurden gestern bei dem Empfang durch Seine Majestät den König aufs Wärmste bestätigt, einen Freund Israel, vom spanischen und israelischen Volk geliebt. Wir müssen das einzigartige Potential begreifen, das in unserer Beziehung liegt. Eine Beziehung, die auf geteilten Werten und einer gemeinsamen Vision beruht, gemeinsam mit Fähigkeiten und Kraft. Wir sollten uns mit einer normalen, banalen Beziehung zwischen uns nicht zufriedengeben. Wir müssen außergewöhnliche Beziehungen zwischen Spanien und Israel schaffen, besondere Beziehungen. Unser gemeinsamer Weg hat eine glorreiche Vergangenheit und eine Zukunft die nicht weniger aufregende, faszinierend und wunderbar sein kann. Ich danke Ihnen für Ihren herzlichen Empfang.“
Es handelte sich um den ersten Besuch eines israelischen Staatspräsidenten in Spanien seit 25 Jahren. Damals hatte Staatspräsident Chaim Herzog das Land besucht, um der symbolischen Unterzeichnung der Annullierung des Vertreibungsdekrets für die spanischen Juden von 1492 beizuwohnen.
(Präsidialamt, 06./07./08.11.17)