Premierminister
Benjamin Netanyahu ist am Montag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
zusammengetroffen. Zunächst fand ein Treffen unter vier Augen statt, im
Anschluss ein erweitertes.
Im Anschluss
an das Treffen erklärte zunächst Bundeskanzlerin Merkel:
„Guten Tag,
meine Damen und Herren!
Ich freue
mich, wieder einmal den israelischen Premierminister nicht nur in Davos zu
treffen, sondern auch hier in Berlin. Gerade in einer Zeit, in der die
internationale Lage sehr schwierig ist, hatten wir die Möglichkeit, das
bilaterale Gespräch zu führen.
Ich finde es
sehr wichtig und symbolisch, dass wir in diesem Jahr, in dem Israel seinen
70. Jahrestag feiert, uns nicht nur aus der Ferne gratulieren konnten und
auch nicht nur eine Debatte im Deutschen Bundestag hatten, sondern dass der
Premierminister heute bei uns ist. Für uns als Deutschland ist es eine Freude,
gerade dieses 70. Jahrestages nicht nur mit vielen Veranstaltungen im Deutschen
Bundestag in Berlin, sondern mit einer Vielzahl von Ereignissen zu gedenken.
Dass wir nach
dem furchtbaren Menschheitsverbrechen der Schoah heute hier als Verbündete
stehen, ist, glaube ich, ein großes Geschenk der Geschichte, das aber jeden Tag
wieder neu erarbeitet werden muss. Insofern waren die Gespräche heute für mich
sehr wichtig. Das hat uns jetzt auch in unseren bilateralen Diskussionen
geleitet.
Wir haben
heute vereinbart, dass wir am 4. Oktober unsere diesjährigen
Regierungskonsultationen durchführen werden, und zwar in Israel. Wir freuen uns
darauf. Da Israel dafür bekannt ist, dass es nicht nur ein herausragendes
Wirtschaftswachstum hat, sondern auch eine Vielzahl von Hightech-Firmen, werden
wir den Besuch auch nutzen, um mit einer Wirtschaftsdelegation diese
Regierungskonsultationen zu begleiten und unseren gegenseitigen
Technologieaustausch noch einmal zu verbessern.
Wir haben
natürlich die meiste Zeit unserer Gespräche nicht mit den bilateralen
Beziehungen verbracht, sondern mit der internationalen Lage, insbesondere im
Blick auf das Iran-Abkommen, JCPOA, auf der einen Seite, aber vor allen Dingen
auf den Einfluss, den Iran in Syrien und in der Region hat. Obwohl wir
unterschiedliche Meinungen haben, was die Nützlichkeit und die Sinnhaftigkeit
des JCPOA anbelangt – Deutschland hat dieses Abkommen nicht gekündigt,
zusammen mit anderen europäischen Partnern – , sind wir uns doch einig,
dass die Frage des regionalen Einflusses des Irans besorgniserregend ist,
insbesondere auch für die Sicherheit Israel, und wir deshalb aus unserer Sicht
alle diplomatischen Bemühungen unternehmen werden, um sowohl beim ballistischen
Programm des Irans, aber auch bei der Frage der Aktivitäten in Jemen und bei
der Präsenz der iranischen Armee in Syrien unseren Einfluss geltend zu machen,
um den Iran aus dieser Region und insbesondere aus der grenznahen Region zu
Israel zurückzudrängen, aber insgesamt die regionalen Aktivitäten deutlich
einzuschränken.
Wir haben auch
darüber gesprochen, dass Israel bedeutsame Materialien über das Nuklearprogramm
des Irans an die IAEO abgegeben hat. Wir unterstützen den Wunsch Israels, dass
die IAEO dieses Material bewertet und dazu auch ihr Urteil abgibt. Denn ich
glaube, dass dies für die Transparenz absolut wichtig ist.
Wir haben dann
über den Nahost-Friedensprozess gesprochen und auf die Chancen hingewiesen,
dass es besser wäre, für eine Zweistaatenlösung einzutreten. Im Augenblick gibt
es, glaube ich, eine sehr komplizierte Situation, in der keinerlei Gespräche
stattfinden. Wir haben uns über die Lage in Gaza unterhalten, auch über den
Missbrauch von Kindern und zivilen Menschen, um letztendlich gegen Israel
vorzugehen.
Wir sind auf
der anderen Seite der Meinung, dass Deutschland da unterstützen kann, wo es
wirtschaftliche Unterstützung für die Menschen in Gaza geben sollte. Auch dazu
haben wir über sehr konkrete Projekte gesprochen.
Alles in
allem: Es gibt nicht in allen Fragen Übereinstimmung, aber wir sind Freude. Wir
sind Partner, und wir sind darum bemüht, unsere gegenseitigen Interessen zu
verstehen. Es gibt auch eine Vielzahl von gemeinsamen Einschätzungen, an denen
wir in Zukunft weiter arbeiten werden.
Insofern recht
herzlichen Dank für den Besuch. Auf gute Zusammenarbeit! Wir freuen uns auf den
Besuch in Israel im Oktober dieses Jahres.“
Premierminister
Netanyahu erklärte:
„Frau
Bundeskanzlerin, ich danke Ihnen, dass Sie mich und unsere Delegation heute
hier begrüßen. Ich freue mich darauf, Sie im Oktober in Israel zu sehen.
Das Bündnis,
die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sind großartig. Sie haben ein
historisches Fundament, offensichtlich wegen der sehr singulären Erfahrung, die
wir hier gemacht haben, und der Verpflichtung, die Sie und andere Regierungen –
doch Sie haben es sehr entschlossen aufrechterhalten – Ihre Verpflichtung zur
Sicherheit Israels, der Sicherheit und der Zukunft des jüdischen Staates. Dies
schätze ich, schätzt das israelische Volk sehr. Ihre sehr entschlossene Haltung
gegen Antisemitismus wird auch sehr geschätzt, und, natürlich, sind die
Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern, unseren beiden Volkswirtschaften,
ganz natürlich. Deutschland ist eine größten Volkswirtschaften der Welt, Israel
ist die führende, unter den führenden Innovationsnationen der Welt. Und die Kombination
von Technologie und Industrie ist sehr mächtig, ich bin also sehr, sehr froh
darüber dass wir uns entschieden haben, den kommenden Regierungskonsultationen
auch eine Wirtschaftsdelegation hinzuzufügen, damit wir von Technologie, von
Know-how, von Innovation wachsend profitieren können, unsere beiden Länder,
beide Völker.
Wir haben
großartige Möglichkeiten, aber wir stehen auch großen Herausforderungen
gegenüber, und ich denke, die größte Herausforderung, vor der die zivilisierte
Welt heute steht, ist die Gefahr, die von militanten islamischen Staaten ausgeht,
die zu Aggression neigen und Atomwaffen beschaffen wollen. Die größte Gefahr
liegt hier bei Iran. Erst gestern hat der iranische Religionsführer Khamenei
erneut gesagt, dass Israel ein Krebsgeschwür sei, das von der Erde ausgelöscht
werden müsse. Es ist unglaublich, dass zu Anfang des 21. Jahrhunderts jemand
davon spricht, Israel zu zerstören. Es bedeutet, dass man nochmals sechs
Millionen oder mehr Juden zerstört. Es ist ungewöhnlich, dass dies passiert,
aber genau so etwas stehen wir gegenüber.
Iran ruft zu
unserer Zerstörung auf, aber er möchte auch Atomwaffen, um seine Pläne für den
Völkermord durchzuführen. Wir wissen das. Wir haben, wie Bundeskanzlerin Merkel
gesagt hat, mit der Bundesregierung und deutschen Experten die Erkenntnisse geteilt,
die wir aus einem geheimen Atomarchiv gezogen haben, das Iran unterhält. Wir
denken, dass es wichtig ist, wie Bundeskanzlerin Merkel gesagt hat, dass die
IAEA in Iran auf Basis dieser neuen Erkenntnisse ermitteln muss; viele neue
Erkenntnisse, die Israel jetzt auch der IAEA zur Verfügung gestellt hat. Und es
ist wichtig, Iran daran zu hindern, eine Atomwaffe zu erlangen. Wir verpflichten
uns, und ich verpflichte mich erneut dazu, dass wir dies nicht geschehen lassen
werden.
Aber die
andere Gefahr aus Iran ist, dass er versucht, den Nahen Osten zu erobern. Er
tut dies in Syrien. Er tut dies im Jemen. Und er tut dies an anderen Orten. In
Syrien versucht Iran, seine Armee und seine Luftwaffe, seine Marine und seine
Bodentruppen zu etablieren. Er verlegt sie 1.500 Kilometer von Iran an die
israelische Hintertür, mit dem ausdrücklichen Ziel, uns anzugreifen. Dies
können wir selbstverständlich nicht akzeptieren.
Ich denke,
dass auch Sie das nicht akzeptieren können, und zwar aus zwei Gründen: Der erste ist natürlich prinzipieller Natur.
Deutschland oder jedes andere friedliche Land billigt keine grundlose Aggression
und Aufrufe zur Zerstörung anderer Nationen. Doch ich denke, dass es auch einen
anderen Grund gibt, warum dies Deutschland angeht: Die iranische Militärpräsenz
in Syrien besteht aus etwa 18.000 schiitischen Milizionären, die von iranischen
Kommandanten befehligt werden. Diese schiitischen Milizionäre kommen aus
Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern, und sie haben ein bestimmtes Ziel,
ein militärisches, aber auch ein religiöses. Iran möchte die Zahl dieser Milizionäre
auf 80.000 anwachsen lassen und einen religiösen Feldzug im vorwiegend
sunnitischen Syrien durchführen. Syrien ist zu 96% sunnitisch, aber versuchen
Sie einmal Sunniten zur Konversion zu bewegen. Dies wird einen weiteren Religionskrieg
entzünden. Dieses Mal wird es ein Religionskrieg in Syrien sein, und die Konsequenzen
wären viele, viele weitere Flüchtlinge. Und Sie wissen genau, wohin sie kommen
werden. ´
Die Fähigkeit, die Zahl dieser Milizionäre zu vervier- oder fünffachen hängt,
unter anderem, von Geld ab. Und das Geld kommt aus Iran. Bis vor kurzem kam es,
unter anderem, auch aus dem Atomabkommen. Dies ist kein falsches Argument, es
stimmt. Wir haben gesehen, dass sie mehr als 25 Milliarden Dollar ihrer
Einkünfte, die sie auf die eine oder andere Weise durch die Erleichterung der
Sanktionen erlangt haben, im Jemen, in Syrien, im Libanon und anderswo
eingesetzt haben.
Ich glaube also, dass der wirtschaftliche Druck, die
Wirtschaftssanktionen auf Iran die Gelddruckmaschine zerstören, die das
iranische Imperium am Leben hält, das alle in Gefahr bringt – Israel, aber
indirekt auch Deutschland und Europa. Iran darf nicht in Syrien einen militärischen
Fuß in die Tür bekommen. Iran sollte Syrien verlassen, ganz Syrien. Dies ist
unsere Position, und ich denke, wir müssen zusammenhalten, um dieser iranischen
Aggression zu begegnen, der Aggression durch den weltweit größten
Terrorfinanzierer.
Ich möchte Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, für Ihre persönliche
Verpflichtung zur Sicherheit Israels danken, und ich möchte Ihnen nochmals
versichern, dass unsere Hand immer zum Frieden mit unseren Nachbarn
ausgestreckt ist. In unserer Region gibt es einen Wandel, den ich für sehr
vielversprechend halte. Wir haben Kontakte zu arabischen Staaten, die sich
entwickeln. Sie haben sich offensichtlich entwickelt, weil wir die Sorge
angesichts des Iran und seiner aggressiven Pläne teilen, aber ich denke, dass
es weit darüber hinausgeht, weil viele arabische Staaten anerkennen, dass
Israel einen technologischen Beitrag zur Entwicklung ihrer Gesellschaft leisten
kann, zu einem besseren Leben für ihre Völker. Ich denke, dass dies das
vielversprechendste Ziel ist und auch die vielversprechendste Route hin zu
einer friedlichen Entwicklung mit den Palästinensern.
Vielleicht ist es heute nicht möglich, aber ich glaube, dass es morgen
möglich sein wird. Und das ist es auch, woran wir alle arbeiten: für ein
besseres Morgen.
Ich möchte Ihnen nochmals dafür danken, dass Sie dies seit vielen Jahren
tun. Ich danke Ihnen für Ihre Freundschaft, und ich danke Ihnen für Ihre
Führung.“
(Amt des Premierministers/Presseamt der Bundesregierung, 04.06.18)