Jenseits der Schlagzeilen: Die Beduinen im Negev und der Begin-Plan

Die Beduinen im Negev und der Begin-Plan

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    Der ehemalige Minister Binyamin Begin stellte dem Innenausschuss der Knesset am Mittwoch (08.11.) den Entwurf eines Gesetzes vor, das die beduinische Besiedlung im Negev in den nächsten fünf Jahren regeln soll. Der nach ihm benannte Begin-Plan (zuvor Prawer-Begin-Plan) wurde vom Parlament bereits in erster Lesung verabschiedet und wird nun vom Komittee erneut debattiert. Zur Situation der Beduinen im Negev und den Plänen der israelischen Regierung veröffentlichen wir darum den folgenden Artikel als Hintergrundinformation.


    Drijat, "das erste beduinische Solar-Dorf": im Rahmen eines Regierungsprojekts im Jahr 2005 wurde das Dorf mit einem Solar-Elektrizitätssystem ausgestattet, das viele öffentliche Gebäude versorgt. (Foto; MFA)

    Im Negev leben heute etwa 210 000 Beduinen. Sie sind eine von vielen gesellschaftlichen Gruppen, die die vielfältige  israelische Gesellschaft ausmachen. Ihre sozio-ökonomische Stellung in der Gesellschaft war bedauerlicherweise in der Vergangenheit eher niedrig.


    Die Regierung Israels erkennt an, dass die Beduinen im Negev Unterstützung brauchen und hat darum ein umfassendes Entwicklungsprogramm, den sogenannten Begin-Plan, aufgelegt, mit dessen Hilfe die Lebensbedingungen und die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Umstände verbessert werden sollen, und der zudem schon lange bestehende Landkonflikte klären soll.

    Bis zum Ende des Jahres 2013 wird Israel dafür rund 1,7 Milliarden Euro (8 Milliarden Schekel) bereitgestellt haben, davon 250 Millionen Euro (1,2 Milliarden Schekel) gezielt für ökonomische und soziale Entwicklungsprojekte.

    Das Programm vom Januar 2013, benannt nach dem damaligen Minister Ze’ev Binyamin Begin, zielt darauf ab, viele der Probleme der beduinischen Bevölkerung zu lösen. Zu den zahlreichen begonnenen oder sich in Planung befindlichen Maßnahmen gehören: Ausweitung technischer Ausbildung und Erwachsenenbildung, Entwicklung von Industriezentren, Einrichtung von Berufszentren, Unterstützung der lokalen beduinischen Autoritäten, Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, Exzellenzzentren für Studenten und Unterstützung von Frauen, die Unternehmen gründen wollen.

    Der Staat Israel arbeitet bei allen Aspekten des Begin-Plans eng mit der beduinischen Bevölkerung zusammen. Der Plan wurde im Dialog und in ständiger Abstimmung mit den Beduinen entwickelt. Minister Begin und seine Mitarbeiter bemühten sich um eine Ausweitung des vorigen Prawer-Plans und trafen sich während der Entwicklungsphase mit tausenden einzelner Vertreter und beduinischer Organisationen. In der Folge wurden die Traditionen und kulturellen Befindlichkeiten der Beduinen noch stärker berücksichtigt und es wurde ein Plan formuliert, der die Verbindung der Beduinen zu ihrer Kultur und ihrem Erbe bekräftigte.


    Ahmed Al-Karnwai in seinem Gewächshaus in Rahat/Negev. Als Teil eines Regierungsplans zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erhielten er und andere Beduinen Förderungen, um landwirtschaftliche Betriebe zu gründen. Al-Karnawi züchtet und exportiert Rosen und Gemüse. (Foto: MFA)

    Darüber hinaus zwingt Israel, entgegen anders lautender Behauptungen, nicht etwa einer nomadischen Gesellschaft einen anderen Lebensstil auf. Die Beduinen im Negev, die seit Ende des 18. Jahrhunderts in diese Gegend zogen, begannen bereits vor über einhundert Jahren, dort sesshaft zu werden – lange vor der Gründung des Staates Israel. Mittlerweile wohnen die meisten von ihnen an festen Orten.

    Dennoch liegt eines der größten Probleme der Beduinen im Wohnungswesen. Fast die Hälfte der Beduinen im Negev, etwa 90 000, wohnt in illegal errichteten Häusern, viele davon Hütten ohne grundlegende Versorgung. Abgelegene Zeltlager und andere beduinischen Wohnstätten verfügen nicht über die notwendige Infrastruktur wie Abwassersysteme und Elektrizität, und nur über eingeschränkten Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen.

    Für dieses Problem gibt es eine Lösung, ebenso wie für andere Schwierigkeiten, vor denen die beduinische Bevölkerung steht. Dem Begin-Plan nach teilt die Regierung jeder Familie (oder berechtigen Einzelperson) dauerhaft und kostenlos ein Grundstück zu, das an die moderne Infrastruktur angebunden ist. Die Familien können dann Häuser entsprechend ihren eigenen Bedürfnissen und Traditionen errichten. Im Falle eines Umzugs können die Familien zwischen ländlichen, landwirtschaftlichen, kommunalen, vorstädtischen oder städtischen Gemeinden wählen.

    Die meisten beduinischen Staatsbürger werden an ihren derzeitigen Wohnorten bleiben können, zumal etwa 120 000 bereits in einem der sieben Stadtzentren oder der elf anerkannten Dörfer leben. Von den verbleibenden 90 000 Beduinen, die in Zeltlagern oder nicht abgegrenzten Gemeinden leben, werden nur 30 000 Personen umziehen müssen, in den meisten Fällen nur über kurze Distanzen von wenigen Kilometern. Die Wohnungen der verbleibenden 60 000 Personen werden legalisiert und unter israelische Verwaltung gestellt, was zu einer Entwicklung der Gemeinden führen und die Eigentumsrechte der Bewohner sichern wird.

    Oft war die Rede von jenen Beduinen, die umziehen müssen. Es ist jedoch zu bedenken, dass sich beinahe die Hälfte von ihnen, zwischen 14 000 und 15 000, illegal in der Gefahrenzone der Giftmüllent-sorgungsanlage Ramat Hovav niedergelassen hat, so dass eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. Die Regierung Israels steht darum in der Pflicht, diese Familien umzusiedeln.

    Der Begin-Plan wird außerdem Landbesitzansprüche klären, die von vielen Beduinen im Negev gestellt werden und die oft schon seit Jahrzehnten umstritten sind. Derzeit existieren 2900 solcher Forderungen, die insgesamt eine Fläche von 587 Quadratkilometern umfassen. Obwohl es für diese Forderungen keine rechtliche Grundlage nach israelischem Recht gibt und sie auch nach altem osmanischem und britischem Recht nicht anerkannt wurden, will Israel diese Angelegenheit klären. Angestrebt wird ein Kompromiss, bei dem alle Anspruchsteller entweder in Form von Land oder Geld und auf der Grundlage von Fairness, Transparenz und Dialog vollständig entschädigt werden, ohne dass es langwieriger Kompensationsverfahren vor Gericht bedarf.

    Immer wieder gibt es Versuche, den Begin-Plan, oft falsch und veraltet Prawer-Plan genannt, anzugreifen, nicht selten aufgrund fehlender Informationen. Diese Opposition ist bedauerlich, insbesondere für die Beduinen, die von dem Plan erheblich profitieren werden. Die Umsetzung des Plans wäre ein großer Fortschritt für die weitere Integration der Beduinen in Israels multikultureller Gesellschaft, ohne dabei ihr einzigartiges kulturelles Erbe zu gefährden.

    Klassenraum im Regionalzentrum für Erziehung und Integration von beduinischen Kindern mit Kinderlähmung in Tel Sheva/Negev. Das Zentrum wurde von der Regierung finanziert und gibt derzeit 140 Kindern Raum, vom Kindergarten bis zum Gymnasialalter. Ein Ausbau auf 500 Plätze ist in Planung. (Foto: MFA)

    Entscheidend aber ist, dass der Begin-Plan eine bessere Zukunft der beduinischen Kinder verspricht. Sie müssen nicht länger in abgelegenen Hütten ohne Gesundheitsversorgung und lebensnotwendige Infrastruktur leben, sondern haben die Möglichkeit auf sicheren Schulwegen zur Schule zu gehen und andere Bildungseinrichtungen zu besuchen. Von der besseren Ausbildung der Kinder und deren Berufsperspektiven werden ganze Familien auch wirtschaftlich profitieren. Insofern ist der Widerstand gegen den Begin-Plan ein Widerstand gegen ein besseres Leben der beduinischen Kinder.

    (Israelisches Außenministerium, 04.11.13)
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    Blick auf die Beduinenstadt Lakiya im Negev (Foto: MFA)