Israelische und deutsche Wissenschaftler gegen Klimawandel

Wissenschaftler gemeinsam gegen Klimawandel

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     copyright: Markus Spiske / Unsplash
     
     

    Vor Kurzem veranstaltete das Zentrum für Deutsche und Europäische Studien der Haifa-Universität ihre erste Konferenz zum Thema Dekarbonisierungsstrategien in Deutschland und Israel.

    Das israelisch-deutsche Thema der Konferenz hätte nicht faszinierender sein können, wenn man die unterschiedlichen Umfelder und Herausforderungen im Bereich der Energie und des Klimas betrachtet, vor denen die beiden Länder derzeit stehen und zukünftig stehen werden. Das Zusammenbringen von Umweltwissenschaftlern aus beiden Ländern wirft eine Frage auf: Wie können sich Israel und Deutschland gegenseitig in ihren Bemühungen helfen, ihre jeweiligen Ökonomien zu dekarbonisieren?

    József Kádár, Doktorand am Zentrum für Deutsche und Europäische Studien und Organisator der Konferenz, betonte die Notwendigkeit eines Austausches von Ideen zwischen Israel und Deutschland bezüglich des Dekarbonisierungsprozesses. „Unter den europäischen Ländern ist Deutschland ein Vorreiter auf dem Gebiet des Übergangs zu erneuerbaren Energien und dem Dekarbonisierungsprozesses.

    Das ist momentan nicht das dringlichste Problem in Israel. Daher ist es umso wichtiger, in einen Dialog zu treten, aus dem beide Länder immens profitieren können, denke ich”, sagte Kádár.


    Israel und Deutschland im Vergleich

    Dr. Steffen Hagemann, Direktor der israelischen Niederlassung der Heinrich- Boell-Stiftung, sagte in seiner Einführungsrede, dass eine reine Transformation der Energiemärkte in Deutschland und Israel nicht genug sei, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Eine radikale Veränderung in allen wirtschaftlichen Sektoren sei notwendig. Das beinhaltet gesellschaftliche und kulturelle Reformen. „Klimawandel ist nicht nur eine ökologische und umweltpolitische Herausforderung, sondern auch eine kulturelle Herausforderung. Es ist ein Kulturschock.”

    Während Deutschlands „grüne Führung“ ein Schlüsselelement in der nationalen Identität und Außenpolitik Deutschlands geworden ist, ist das Land laut Hagemann daran gescheitert, eine fundierte Strategie für die Zukunft zu entwickeln, die alle wirtschaftlichen Sektoren, Technologien und sozialen Faktoren vollständig umfasst.

    Prof. Benjamin Bental, früherer Direktor des Zentrums für Deutsche und Europäische Studien und Professor für Wirtschaft an der Universität Haifa, nahm einen eindrucksvollen Vergleich der Politik der erneuerbaren Energien in Israel und Deutschland vor. In diesem Rahmen bezog sich Bental auf den Energy Transition Index of the World Economic Forum. Der Index veranschaulicht die Bereitschaft eines Landes, für einen Energiewandel ebenso wie seine derzeitigen Systemleistungen. Basierend auf dem Index steht Deutschland auf Rang 17 und Israel auf Rang 30.

    Prof. Bental wies darauf hin, dass Israel sich zwar 13 Plätze hinter Deutschland befindet, es Deutschland aber in der Systemleistung übertrifft. Diese beinhaltet Energiezugang und Sicherheit, wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung, sowie ökologische Nachhaltigkeit.

    „Der Grund dafür ist sehr einfach. Während Energiekosten in Israel viel geringer sind, subventioniert Deutschland grüne Energien besonders stark und verhängt hohe Kosten für den Konsumenten und die Industrie. Daher ist die Leistung des Landes in Bezug auf wirtschaftliche Aspekte schlechter im Vergleich zu Israel. Gleichzeitig ist Israels Leistung in Bezug auf die Vorbereitung des tatsächlichen Übergangs besser”, sagte Bental.

    „Die Indexlücke zwischen dem gegenwärtig führenden Land in Bezug auf erneuerbare Energien, Schweden (welches Deutschland und Israel in Bezug auf Leistung und Vorbereitung bei Weitem übertrifft), und Deutschland ist sogar noch größer als die Lücke zwischen Israel und Deutschland. Daher sind Deutschland und Israel in ihrer Gesamtleistung viel näher beieinander als Deutschland und Schweden, ohne dass Israel überhaupt einen Beitrag zu erneuerbarer Energiepolitik geleistet hat”, fügte er hinzu.

    Laut Prof. Bental wirft das die Frage nach Effektivität der deutschen Politik hinsichtlich der Transition zu erneuerbarer Energie auf, welche betrachtet werden muss.


    Umweltpolitik benötigt eine umweltaktive Zivilgesellschaft

    Während der Konferenz, die in drei separate Diskussionsrunden unterteilt wurde, die individuellen Stufen der Dekarbonisierung in Israel und Deutschland thematisierten, machten die Sprecher auf die Hauptmerkmale der Energiesektoren des jeweiligen Landes aufmerksam.

    Prof. Sabine von Mering, Direktorin des Zentrums für Deutsche und Europäische Studien an der Brandeis-Universität in den USA widersprach Prof. Bental und argumentierte, dass Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten einige große Erfolge auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien hatte.

    Laut Prof. von Mering hat Deutschland eine große Anzahl grüner Energien in die Nachbarländer exportiert – ein Privileg, dass Israel momentan nicht hat. Zweitens hat sich der Anteil erneuerbarer Energien in dem Land auf über 35% erhöht.

    Gleichzeitig steht Israel vor seinen eigenen Problemen in Bezug auf den Klimawandel. Ein Beispiel, welches Dr. Amit Tubi von der Hebräischen Universität in Jerusalem sieht, ist der CO2-Fußabdruck durch die Entsalzung des Meerwassers, durch die 80% des israelischen Trinkwassers bereitgestellt wird. Während dieses innovative Verfahren die Wasserproduktion vom Klima entkoppelt hat, erhöht es Israels Treibhausgasemissionen erheblich.

    Der Entsalzungsprozess bedarf enormer Energiemengen und in Israel wird diese Energie ausschließlich durch fossile Brennstoffe erzeugt. Daher steht das Land jetzt vor einer zweifachen Herausforderung: den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen und gleichzeitig der vermehrten Herstellung von „grünem” entsalztem Wassers.

    Mit der Entdeckung großer natürlicher Gasfelder vor der Mittelmeerküste Israels zu Beginn des Jahrzehnts wurde von vielen angenommen, dass die Energieprobleme des Landes gelöst wären. Doch obwohl natürliches Gas etwas umweltfreundlicher als Kohle ist, wird sich Israel noch immer zu einem beinahe Null-CO2-Energiemarkt umwandeln müssen, was mit einer auf natürlichem Gas basierten Wirtschaft nicht möglich ist.

    Tubi wies darauf hin, dass eine reine politikbasierte Strategie nicht genug sein wird. Er fügte hinzu, dass eine aktive öffentliche Involvierung unerlässlich für einen erfolgreichen Übergang zu erneuerbaren Energien bis 2050 sein wird. Zu diesem Zweck schlug er vor, „eine umweltaktive Zivilgesellschaft zu kultivieren.”

    Omer Tamir von EcoTraders, einer Umwelt-Management-Beratungsagentur in Israel, führte Israels Energieziele für die nahe Zukunft weiter aus. Laut der Ziele, die im Jahre 2015 festgelegt wurden, plant Israel das nationale Stromnetz bis 2030 mit 17% erneuerbaren Energien zu beliefern und gleichzeitig die derzeitigen 9,5 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf auf 7,5 Tonnen pro Kopf zu reduzieren. Zusätzlich soll die Benutzung privater Autos um 20% verringert werden, was durch einen umfangreichen Wechsel zu öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtert werden soll.

    Tamir griff die Tatsache auf, dass Israel eingeschränkte Landressourcen hat und daher die größte Anzahl der erneuerbaren Energie in urbanen Bereichen produziert werden müsste. Daher werden Städte mit einer angemessenen Infrastruktur und entsprechender Stadtplanung ausgestattet werden müssen.  Tamir glaubt ähnlich wie Tubi, dass letztendlich die Unterstützung der Bürger und besonders der Einsatz junger Menschen, die effektive Implementierung von Regierungsrichtlinien möglich machen wird.

    Dr. Heiko Thomas vom Institut für Nachhaltigkeitsforschung in Deutschland stellte die Dekarbonisierungsstrategien Deutschlands vor. Obwohl er die sozialen und politischen Bedingungen des Dekarbonisierungsprozesses nicht diskutierte, wies er darauf hin, dass Deutschlands Energiemarkt auf einem diversifizierten Modell verschiedener erneuerbarer Energiequellen aufgebaut sein muss.

    „Deutschland wird sein letztes Atomkraftwerk innerhalb der nächsten zwei Jahre allmählich abbauen und hat vor Kurzem entschieden, Kohle bis 2038 allmählich abzubauen”, sagte Thomas. Laut derzeitiger Projektionen wird Deutschlands Energiemarkt auf einem diversifizierten System mit Windkraft, Photovoltaik-Solarzellen und Solarthermalsystemen als Hauptenergiequellen basiert sein.


    Ein Blick in die Zukunft

    Das letzte Experten-Forum diskutierte Dekarbonisierungsstrategien für das 21. Jahrhundert und damit Konzept und Pläne, die derzeit noch nicht umsetzbar sind, die aber in der Zukunft stattfinden werden. Innovative Technologien und bahnbrechende Innovationen waren nicht im Zentrum dieses Forums, aber die Sprecher betonten erneut die Bedeutung öffentlicher Partizipation in der politischen Entscheidungsfindung und der Wichtigkeit, zukünftige Generationen zu involvieren. Schließlich werden zukünftige Generationen Strategien verbessern und weitere Strategien weiterentwickeln müssen, um den Klimawandel zu bewältigen.

    Gil Proaktor vom Umweltministerium sagte, dass eine Reihe von Teams eingesetzt wurden, die von relevanten Ministerien geführt werden, die derzeit am Prozess der Finalisierung und der Umsetzung von Israels Zielen der erneuerbaren Energien arbeiten. Während die Implementierung und das ständige Update der Ziele kritisch sind, betont Proaktor, dass die Teilnahme und Unterstützung durch Experten und der Öffentlichkeit ebenso wichtig sind.

    „Wir brauchen Experten, die Öffentlichkeit und zivile Organisationen, um erneuerbare Energiepolitik voranzutreiben und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Dekarbonisierung zu schaffen. Nur wenn die Öffentlichkeit als Ganzes die Verknüpfung zwischen Klimawandel, Dekarboniserung und unsere langfristige Prosperität realisiert, wird es uns möglich sein, Entscheidungsträger davon zu überzeugen, die richtigen Entscheidungen zu treffen”, folgert er.


    (ZAVIT, Dominik Döhler, Israeli and German scientists join forces in the fight against climate change, 05.01.2020.)

     
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