Genehmigung des Al-Quds-Marsches: So falsch, wie es nur falsch sein kann

So falsch, wie es nur falsch sein kann

  •   Von Rogel Rachman
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    Al-Quds-Marsch in Berlin 2011 Al-Quds-Marsch in Berlin 2011 copyright: Burghard Mannhöfer
     
     
    Bereits im vergangenen Jahr habe ich mich mit meinem Beitrag „Ein Verbot ist die einzige Alternative“ zu dem jährlichen Al-Quds-Marsch geäußert, der seit nunmehr 21 Jahren in Berlin stattfindet.

    Es handelt sich dabei um jenes Hassfestival, bei dem die Fahnen verschiedenster Terrororganisationen geschwenkt und mal mehr mal weniger verklausulierte Hassparolen gegen Israel und Juden geschrien werden.

    Der Al-Quds-Marsch wurde 1979 in Teheran vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini als Demonstration zur Rückeroberung Jerusalems mit Hilfe von Handlanger-Organisationen wie der islamistischen Terrororganisation Hisbollah etabliert. Heute demonstrieren jedes Jahr zehntausende Israelhasser weltweit unter dem Deckmantel des Antizionismus für die Vernichtung Israels. So etwa am vergangenen Wochenende in London, wo neben den Hassbotschaften gegen Israel auch die Fahne der Hisbollah geschwungen wurde – nur drei Wochen nach dem islamistischen Terroranschlag auf der London Bridge.

    Dieser war nicht der einzige Anschlag seiner Art: Ich habe den Eindruck, dass sich vor einem Jahr noch viele in Europa und auch in Deutschland auf der Insel der Seligen wähnten. Im Laufe des vergangenen Jahres jedoch sind bei islamistischen Anschlägen in Europa, sei es in Nizza, Ansbach, Berlin, Stockholm, Manchester oder London, 140 unschuldige Menschen ermordet und viele weitere verletzt worden.

    Das Muster der Anschläge in Europa unterscheidet sich kaum von jenen, unter denen Israel seit Jahren zu leiden hat. Erst am vergangenen Wochenende griffen drei Palästinenser Menschen in der Altstadt von Jerusalem an und erstachen eine 23-jährige Grenzpolizistin. Die Terroristen unterscheiden bei ihren Anschlägen nicht, wer ihre Opfer sind – die Hauptsache ist, es trifft Unschuldige.

    Europa und das zur westlichen Wertegemeinschaft zählende Israel sind durch die Herausforderungen eines asymmetrischen Krieges – es stehen Demokratien gegen Terroristen – vereint. Unsere Werte der Meinungsfreiheit, des Pluralismus, der Garantie der Rechtsstaatlichkeit für alle Bürger machen uns alle zum Ziel der Terroristen.

    Nicht vereint sind wir jedoch in der Art, wie über Terroranschläge in den Medien berichtet wird. Wenn Polizisten bei Anschlägen in Europa durch das Töten der Attentäter schlimmeres verhindern, werden sie, zu Recht, als Helden gefeiert. In der internationalen Presse über vergleichbare Vorfälle in Israel stehen die Terroristen, deren Familien nach Anschlägen hohe Summen aus einem „Märtyrer-Fonds“ erhalten, als Opfer im Fokus.

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    (Quelle: Honest Reporting)

    Hat sich dies im Zuge der wachsenden Bedrohung und tatsächlichen Anschläge in Europa geändert? Gibt es möglicherweise sogar ein Umdenken der demokratischen Regierungen, was den Kampf gegen diese Terroristen betrifft? Das vermag ich nicht zu beantworten.

    Sicher ist: Menschen aus ganz Deutschland werden am Freitag wieder finanziert mit ausländischen Geldern zum Al-Quds-Marsch nach Berlin chauffiert werden, mit Fahnen verschiedenster antidemokratischer und gewalttätiger Organisationen ausgestattet, unter dem scheinheiligen Banner „Gemeinsam gegen Zionismus und Antisemitismus“ vereint und wieder einmal mit verklausulierten antisemitischen Slogans über den Ku‘Damm geschickt.

    (Das perverse und besonders menschenverachtende: Die Demonstration verläuft in der Nähe des Breitscheidplatzes, wo im Dezember 2016 zwölf Menschen bei einem Anschlag ermordet wurden.)
     
    Immerhin: Im vergangenen Jahr hat die Berliner Innenverwaltung erstmals Hisbollah-Fahnen und bestimmte Hassparolen verboten. Doch das Motto der Al-Quds-Demonstration und das verzerrende Narrativ der Israelhasser folgen einer verqueren Logik, der zufolge Zionismus und Antisemitismus gleichermaßen abzulehnen seien. Verquer ist diese Logik, weil Zionismus nichts anderes ist als der Wunsch der Juden nach Recht auf Selbstbestimmung und Antizionismus demnach die Leugnung dieses Rechtes.

    Aktuelle Studien, und nicht nur diese, zeigen, dass Antisemitismus in der europäischen und deutschen Gesellschaft immer offener gezeigt wird. Antisemitische Handlungen, angefangen bei Hassbeiträgen im Internet und bis hin zu Angriffen auf Juden in der Öffentlichkeit und Anschlägen auf jüdische und israelische Ziele, stoßen auf immer mehr Verständnis und Akzeptanz. Antisemitismus, so fürchte ich, ist nicht mehr automatisch zu verurteilen, sondern wird schleichend zu einer „legitimen Meinung“ unter vielen, der man zustimmen kann, oder eben nicht.

    In Folge dessen ist die Atmosphäre in Europa nicht mehr nur feindlich, sondern sprengt immer wieder auf aggressive und gewaltvolle Weise die Grenzen des Tolerierbaren. Beispiele dafür hat etwa die umstrittene Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa“ genannt.

    Unsere offenen Gesellschaften hier im Westen, und dazu ist Israel zweifelsfrei zu zählen, tragen den aufklärerischen Gedanken, dass „meine Freiheit dort endet, wo die Freiheit des anderen beginnt.“ Doch genau diese Maxime wird durch den Antisemitismus außer Kraft gesetzt.

    Juden und Israelis leben in Angst: Jüdische Kinder wachsen traumatisiert durch Übergriffe von Gleichaltrigen auf, jüdische Gemeinden und Institutionen brauchen Polizeischutz, Israelis und Juden werden in U-Bahnen und auf offener Straße angegriffen, und welche Hemmungslosigkeit in Internetforen herrscht, muss hier wohl nicht erst beschrieben werden.

    Seien es Debatten über religiöse Rituale des Judentums, die (oft verzerrte) Berichterstattung über den Nahost-Konflikt oder auch Handlungen der israelischen Regierung – alles scheint legitim, um unter dem Label des „Antizionismus“ und der „Israelkritik“ gegen Israel zu hetzen und in Konsequenz auch Juden anzugreifen.

    Der Al-Quds-Marsch schafft exakt das Klima der Aggression, des Hasses und der Gewaltbereitschaft, in dem sich Hunderte von Antisemiten zusammenrotten und sich in frappierender Weise antidemokratisch und die Werte der Toleranz und des Pluralismus verachtend, verhalten. Nicht auszumalen, was passiert, wenn am Freitagabend diesen Demonstranten im Anschluss in einer ruhigen Seitenstraße des Ku‘Damms ein Jude auf dem Weg zur Synagoge begegnet.
     
    Ich schätze es sehr, dass sich auch dieses Jahr wieder zahlreiche Menschen und Organisationen zusammenfinden, um ein deutliches Signal gegen diese Hassparade zu setzen, den Regierenden Bürgermeister und Innensenator dazu aufzufordern, den Veranstaltern den rechtlichen Boden für diese jährliche Veranstaltung zu entziehen und ich hoffe und bin sicher, dass der Senat sein Möglichstes tut.
    Denn Veranstaltungen, bei denen sich die Antisemiten gegenseitig darin bestärken, dass der Schritt von Hass zu Gewalt eine logische Konsequenz auf die pure Existenz von Juden und Israel sein darf, können allein aus Sicherheitsgründen nicht akzeptabel sein, von moralischen Gründen gar nicht erst zu sprechen.

    Aus Perspektive eines Antisemiten ist seine Ideologie des Hasses eine legitime Meinung und die daraus entstehende Gewalt nur folgerichtig.

    Aus Perspektive einer westlichen, demokratischen und offenen Gesellschaft, und nicht nur der von Juden, ist dies nicht zu tolerieren und so falsch, wie es nur falsch sein kann.
     
    Der Autor ist Gesandter-Botschaftsrat und Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Botschaft des Staates Israel in Berlin.