In einer bewegenden
Gedenkfeier erinnerte unsere Botschaft heute im ehemaligen Konzentrationslager
Sachsenhausen an die 6 Millionen Opfer der Shoah. Neben dem Botschafter des
Staates Israel, Ron Prosor, war auch Bundesjustizminister Marco Buschmann anwesend.
Die Fackel am zentralen Gedenkort entzündete der Holocaustüberlebende Kurz
Hillmann. Im folgenden können Sie die Rede des Botschafters im Wortlaut
nachlesen.
"Der Tag des Gedenkens
an die Schoah und jüdisches Heldentum ist eine Zeit des Gedenkens, eine Zeit
des Innehaltens und des Erinnerns an die Tragödie der Shoa, ihre Opfer und
Überlebenden.
Das diesjährige Thema lautet
Jüdischer Widerstand: 80 Jahre seit dem Aufstand im Warschauer Ghetto. Deshalb
gedenken wir heute besonders der im Warschauer Ghetto inhaftierten Juden, die
mit verzweifeltem Mut gegen ihre deutschen Peiniger - und für ihre eigene Würde
- kämpften. Jedes Jahr, wenn wir uns am Yom HaShoa versammeln, um uns zu
erinnern, gibt es immer weniger Überlebende unter uns. Wir vermissen ihre
Augen. Wir vermissen ihre Blicke. Das heißt nicht, dass sie uns nicht sehen. Es
bedeutet aber, dass sie, weil sie uns sehen, mehr von uns erwarten.
Sie erwarten von uns, dass
wir sie nicht vergessen. Sie verdienen es, dass man sich an sie als Individuen
erinnert. Jede einzelne Geschichte ist eine Welt für sich. Der allgemeine
Begriff "Shoa-Überlebende" spiegelt das nicht wider. Manche mögen den
Begriff "Überlebende" sogar als passiv interpretieren. Es ist jedoch
genau das Gegenteil der Fall!
Sie haben gegen Hunger und
Kälte gekämpft. Sie kämpften gegen Angst und Verzweiflung. Sie kämpften gegen
ihren Körper, der sie zum Aufgeben aufforderte. Sie kämpften darum, eine
weitere Stunde zu leben. Einen weiteren Tag. Wir werden nie wirklich verstehen können, was
sie durchgemacht haben. Und jeder von ihnen hatte unterschiedliche
Vorstellungen davon, was er im Leben erreichen wollte. Für einige stand ihre
Familie an erster Stelle. Andere schufen Durchbrüche in der Medizin, der Kunst
und der Mathematik, von denen spätere Generationen profitierten. Die Zusammensetzung der einzelnen Geschichten
ist im Grunde die Geschichte der Shoa. Es ist ein Mosaik von Menschen mit
unterschiedlichen Hintergründen, die als Juden definiert wurden.
In der heutigen Welt müssen
wir uns daran erinnern, dass es keinen Unterschied machte, ob man säkular oder
religiös, aschkenasisch oder sephardisch war, dass die Herkunft und die
persönlichen Vorlieben nicht die geringste Rolle spielten. Heute müssen wir uns
daran erinnern, dass wir zusammenstehen müssen, geeint. Der Nationalstaat des
jüdischen Volkes ist die Verkörperung der jüdischen Unabhängigkeit. Er ist die
Verkörperung unserer Fähigkeit, über unser Schicksal zu entscheiden, ohne uns
auf andere zu verlassen.
Wir müssen Tag und Nacht
arbeiten, um den einzigen Nationalstaat des jüdischen Volkes zu einem
vorbildlichen Staat zu machen. Dies ist unsere gemeinsame Aufgabe - und unsere
Verantwortung gegenüber den Überlebenden der Shoa und den kommenden
Generationen."
)