Gestern (3.10.) ist das neue Parlament zu seiner feierlichen
Eröffnungssitzung zusammengekommen. Staatspräsident Reuven Rivlin sagte in
seiner Rede:„Ehrenwerte Mitglieder der Knesset, meine
israelischen Mitbürger, es gibt eine Geschichte des Staatspräsidenten Chaim
Weizmann, der in seinem Zuhause in Rechovot mit einem unglücklichen
Gesichtsausdruck vorgefunden wurde. ‚Warum bist du so traurig?‘, wurde er
gefragt. ‚Schließlich war Moses 40 Jahre in der Wüste und erreichte das Land Israel
niemals. Du hast das Volk fast 40 Jahre durch die Wildnis geführt, aber du hast
den Traum zur Realität gemacht. Unser Land wurde erschaffen und du bist der
Kopf dieses Traumes.‘ Der Staatspräsident antwortete: ‚Nein, ich bin in einer
viel schlechteren Position als Moses. Es ist schwer,‘ sagte er. ‚Schwer, einen
Traum zu leben.‘
Liebe Freunde, in Zeiten wie diesen erscheint es
schwer, den Traum zu leben, aber wir sollten niemals nur für eine Minute
vergessen, dass wir es geschafft haben. Wir haben den Traum zur Realität
gemacht. Der Staat Israel ist ein Wunder, ein jüdischer und demokratischer
Staat zur selben Zeit. Ein Zuhause für uns alle, ein Ort der Sicherheit. Lassen
Sie uns niemals auch nur für einen Moment vergessen, wo und warum unsere Reise
begann.
Ehrenwerte Gäste, mein Aufruf für eine Regierung einer
breiten Mehrheit wurde mit Kritik von rechts und links aufgenommen. Ich höre
die Kritik. Sie ist gerechtfertigt und enthält ein Körnchen Wahrheit. Ich weiß,
dass eine Regierung der breiten Mehrheit oder eine ‚Regierung der nationalen
Einheit‘ nicht das ist, was jeder israelische Bürger gewählt hat. Ich weiß
auch, dass sollte eine solche Regierung gebildet werden, sich einige von Ihnen
in der Opposition wiederfinden werden. Und dennoch gibt es Momente im Leben, in
denen es eines Präsidenten bedarf, der im Rahmen seiner amtlichen Rolle
interveniert, führt und das System kalibriert, welches es schwer hat, wieder
den richtigen Weg zu finden. Wie Präsident Herzog einst sagte, als er
intervenierte, um eine nationale Einheitsregierung zu bilden: ‚Unsere
Demokratie ist in Gefahr und ohne ein demokratisches Regime, welches auf dem
Willen der Mehrheit der Bürger basiert, hat der Staat Israel keine Zukunft. Die
größte Gefahr lauert hier, in unserer Mitte. Es kommt aus dem Mangel an
Toleranz und dem Diskurs zwischen den verschiedenen religiösen Ansichten,
religiösen und säkularen Ansichten, zwischen verschieden ethnischen Identitäten
und zwischen unterschiedlichen Völkern. Und zu unserer Schande erscheint es
bereits in beängstigenden und abstoßenden öffentlichen Aussagen.‘
Das sagte Präsident Herzog und manchmal fühlt es
sich so an, als würde er über unsere heutige Zeit sprechen. Meine Macht ist
ebenso begrenzt. Ich habe nichts als Worte. Ich kann nur vorschlagen und
versuchen, Brücken zu bauen. Ich weiß auch nicht, ob ich der angemessene
Vermittler bin. Aber ich weiß, dass wir uns in einer Krise befinden, einem
Notstand für die Sicherheit Israels und der israelischen Gesellschaft, einem
Notstand für die israelische Demokratie.
Eine Regierung zu bilden, ist nicht nur der Wunsch der
Bürger. In Zeiten wie diesen ist es ebenso von wirtschaftlicher und
sicherheitspolitischer Bedeutung.
Meine Freunde und Lehrer, meine israelischen
Mitbürger, neben der Frustration über die politische Sackgasse, in der wir uns
befinden, ist das Wahlergebnis eine Auszeichnung für die israelische
Gesellschaft. Es ist eine Rote Karte von israelischen Bürgern an ihre gewählten
Vertreter. Eine Rote Karte für Populismus, für ein politisches System, das sich
von den Differenzen zwischen uns nährt und das all unsere Ängste, als
ausnutzbar ansieht.
Gewählte Parlamentarier, sehen Sie es als eine
Möglichkeit und Chance, eine breite Regierung zu bilden. Eine, die es uns
erlaubt, die Unstimmigkeiten zwischen uns beiseite zu legen und Bereiche der
Übereinstimmung zu finden und in diesen zusammenzuarbeiten, für die Bürger des
Staates Israel, für seine Wirtschaft und seine Sicherheit, und uns dadurch eine
Möglichkeit zum Atmen und zum Heilen zu geben.
In einer solchen Regierung wird es keiner Seite
möglich sein, sich einen Namen durch Angriffe und Delegitimierungen Anderer zu
machen. In einer solchen Regierung werden Sie in den Dingen herausragend sein,
die Auswirkungen auf das wahre Leben haben: Vergünstigungen von
Kindereinrichtungen, wirksame Bekämpfung von Hamas, Hisbollah und Iran,
Erhöhung wirtschaftlicher Produktivität, Betreuung älterer und behinderter
Menschen, Erhöhung des Bildungsniveaus, Erschaffung wahrer gleicher
Möglichkeiten für jene, die in sozialen und geographischen Peripherien leben,
Bekämpfung der Kriminalität und der Gewalt in der arabischen Gesellschaft, die
zu einem nationalen Notstand geworden sind.
Eine breite Regierung dieser Art würde eine
Möglichkeit für uns alle sein, uns daran zu erinnern, dass es trotz der
Differenzen zwischen uns auch eine Reihe von Herausforderungen gibt, die wir
gemeinsam bekämpfen können.
Ehrenwerte Knesset-Mitglieder, die Augen der Nation
sind auf Sie gerichtet… Wie ich zuvor gesagt habe, habe ich keine Zauberlösungen.
Aber das Volk braucht keine Lösungen, es braucht Führungspersönlichkeiten. Es braucht
Sie…
Herzlichen Glückwunsch an die Mitglieder der 22.
Knesset. Ich hoffe, diese Knesset wird ihre gesamte Amtszeit dienen und dass
sie ihr Vertrauen einer neuen Regierung für den Staat Israel Ausdruck verleiht –
einer Regierung für die Staatsbürger Israels – zu Ehren der Knesset, zu Ehren
der Demokratie des Staates Israel und zu Ehren der Staatsbürger Israels.
Meine israelischen Mitbürger, zum Ende möchte ich
entsprechend jüdischer Tradition handeln, welche glaubt, dass an Yom Kippur
keine Sünden vergeben werden können, die zwischen zwei Menschen verübt wurden,
es sei denn, die Person bittet um Vergeben. Ich bitte um Vergeben, sollte ich in
einer unpassenden Art gehandelt oder gesprochen haben oder sollte ich
geschwiegen haben und mich nicht gegen unangemessene Vorfälle ausgesprochen
habe. Ich bitte alle um Vergeben, die ich durch meine Worte, meine Taten und
Unterlassungen verletzt habe.
Gmar chatima tova. Shana tova, Ihnen und allen
Menschen des Staates Israel.”
(Außenministerium des States Israel, 3.10.19)