„In Israel gibt es nicht nur den Konflikt mit den Palästinensern, sondern so viel anderes“, betont die israelische Botschafterin Talya Lador-Fresher. Außerdem nimmt sie im Interview Stellung zum derzeitigen Boykott von FPÖ-Ministern.
VNachrichten: Israel feiert das 70-jährige Jubiläum seines Bestehens. Was bedeutet das für Sie?
Talya Lador-Fresher: Israel ist die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten. Es ist ein stabiles Land in einer instabilen Region. Es liegt im europäischen Interesse, dass Israel ein stabiler Partner bleibt. Der offizielle Slogan zu den Feierlichkeiten lautete „Wir haben etwas, worauf wir stolz sein können“. Dies gilt insbesondere bei Kultur, Wissenschaft und Technologie.
VNachrichten: Stört es Sie, dass Israel vor allem mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt in Verbindung gebracht wird?
Talya Lador-Fresher: Wir arbeiten hart daran, das zu ändern. In Israel gibt es nicht nur den Konflikt, sondern so viel anderes. Natürlich ist das ein Teil unserer Geschichte und unserer Realität. Wenn Sie Israelis fragen, was das erste ist, das ihnen in den Sinn kommt, wenn sie an ihr Heimatland denken, bezweifle ich, dass viele den Konflikt nennen.
VNachrichten: Wie bewerten Sie denn die aktuelle Lage? Im Gazastreifen gibt es die massivsten Auseinandersetzungen seit langer Zeit.
Talya Lador-Fresher: Die dort regierende Terrororganisation Hamas versucht, das Leben der normalen Bürger zu zerstören. Sie erfindet ständig neue Terrormethoden und tut alles in ihrer Macht stehende, um ein Leben an der Seite Israels unmöglich zu machen.
VNachrichten: Auch der Krieg in Syrien tobt weiter.
Talya Lador-Fresher: Die Situation in Syrien ist besorgniserregend, vor allem wegen dem Iran. Dadurch bekommt der Bürgerkrieg ein neues Gesicht. Der Iran ist ein destabilisierender Faktor im Nahen Osten. Wir können keine iranischen Truppen an der Grenze zu Israel dulden. Teheran sagt laut und deutlich: Es ist unser Ziel, den Staat Israel auszulöschen.
VNachrichten: Derzeit gibt es Proteste, etwa in Tel Aviv, gegen das kürzlich beschlossene Nationalitätengesetz. Verstehen Sie das?
Talya Lador-Fresher: Die Kritik betrifft im Prinzip zwei Bereiche, einen innerhalb und einen außerhalb des Gesetzes. Erstens geht es um den Stellenwert der arabischen Sprache. Wir haben eine knappe 20 Prozent-Minderheit von Menschen mit arabischer Muttersprache. Früher waren Hebräisch und Arabisch die offiziellen Sprachen Israels. Nun ist es nur noch Hebräisch, die vorherrschende Umgangssprache. Arabisch hat aber einen speziellen Status.
VNachrichten: Und der zweite Aspekt?
Talya Lador-Fresher: Manche sagen, die Rechte aller Staatsbürger hätten im Gesetz verankert werden müssen. Immerhin sei Israel nicht nur ein jüdischer, sondern auch ein demokratischer Staat. Aber Israel ist kein normales demokratisches Land, es ist der einzige jüdische Staat der Welt. Kritiker meinen, das Gesetz macht es noch schwieriger, diese beiden Aspekte zu vereinen. Andere glauben, in diesem Gesetz muss nicht alles enthalten sein. Die arabischen Bürger genießen jedenfalls weiterhin alle Rechte, über die sie heute verfügen.
VNachrichten: Wird eine Zwei-Staaten-Lösung immer unwahrscheinlicher?
Talya Lador-Fresher: Die Frage der Zwei-Staaten-Lösung ist so alt wie der Konflikt selbst. Das hat nichts mit dem Gesetz zu tun. Ich glaube, die Mehrheit der Israelis will eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Hauptverantwortung, warum es nicht funktioniert, liegt bei den Palästinensern. Es gibt nur eine Variante, die Israel akzeptieren würde, da sie keine Bedrohung darstellt. Diese Variante sieht einen entmilitarisierten palästinensischen Staat vor, es käme auch zum Austausch von Territorium. Sind die Palästinenser derzeit in der Lage, so ein Angebot anzunehmen? Leider nein.
VNachrichten: Kommen wir nach Österreich. Die israelisch-österreichischen Beziehungen sind kompliziert. Mit der ÖVP pflegt man gute Beziehungen, die FPÖ wird boykottiert. Wie passt das zusammen?
Talya Lador-Fresher: Ich denke, wir haben aktuell eine der besten Beziehungen. Kanzler Sebastian Kurz’ Besuch in Israel war sehr erfolgreich, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hat zuletzt sogar den Süden des Landes besucht. Dies ist die eine Seite. Andererseits sprechen wir mit FPÖ-geführten Ministerien ausschließlich auf Beamtenebene, aber es gibt einen Dialog zwischen beiden Regierungen. Im Moment ist das unsere Politik.
VNachrichten: Was müsste denn passieren, dass Israel über ein Ende des Boykotts nachdenkt?
Talya Lador-Fresher: Ich benutze das Wort Boykott nicht. Es gibt Probleme, etwa in Bezug auf den Kampf gegen Antisemitismus und die Erinnerung an den Holocaust. Wir sind uns bewusst, dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hier viel tut, aber das trifft nicht auf alle Vertreter seiner Partei zu.
(Text / Interview: Magdalena Raos)