Es handelt
sich um den Wiener Friedrich Neustadtl, die aus Kaunas (Litauen) stammende
Tamara Jainschig sowie ihre Mutter Ana Gembickiene. Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer und der israelische Botschafter des Staates Israel Aviv Shir-On
luden aus diesem Anlass heute Nachmittag ins Parlament ein. Neben den Verwandten
der Geehrten nahmen auch Nachkommen der Geretteten an der Feierstunde teil.
Präsidentin
Barbara Prammer erläuterte die Bedeutung der Auszeichnung und ging
in ihrer Ansprache auf die Bedeutung der Zivilcourage ein. 24.811 Menschen
wurden bisher von Yad Vashem als "Gerechte" anerkannt darunter 92 aus
ײÖsterreich.
"Mitgefühl handelt schneller, als Verstand kalkuliert", zitierte
Prammer einen dieser Retter. Letztlich seien es aber immer zu wenige, die
bereit seien, im entscheidenden Moment Widerstand zu leisten. Die Stärkung von Zivilcourage bleibe daher
eine ständige Aufgabe. Prammer erinnerte
auch an die Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und erteilte allen
Forderungen nach einem "Schlussstrich", unter diese Zeit eine deutliche
Absage.
Botschafter
Aviv Shir-On zeigte sich erfreut darüber, noch einmal die Gelegenheit zu erhalten,
im österreichischen Parlament die Auszeichnung für drei "Gerechte unter
den Völkern" zu überreichen. "In der Zeit der moralischen Finsternis
waren sie das Licht der Hoffnung", sagte er über die Geehrten. Shir-On übergab
die Auszeichnung für Friedrich Neustadtl an dessen Tochter Friederike Mikosch.
Alexander Jainschig nahm die Auszeichnung stellvertretend für seine Mutter
Tamara Jainschig und seine Großmutter Anna Gembickiene entgegen.
Jahrelang
in einer Zahnarztpraxis am Rudolfsplatz versteckt
Friederike Raab entzog sich
der drohenden Deportation am 28. November 1941 durch Flucht und tauchte einige
Tage bei Freunden unter. Ihr Überleben bis Kriegsende verdankte sie hauptsächlich
ihrem Freund Friedrich Neustadtl, der sie mehr als drei Jahre in seiner Zahnarztpraxis
am Rudolfsplatz verstecken konnte und ihr während der Fliegerangriffe
zu Kriegsende sogar in seiner eigenen Wohnung Unterschlupf bot. 1946 heirateten
Friedrich Neustadtl und Friederike Raab.
In ihren
Dankesworten erinnerte Friederike Mikosch, die Tochter von Friedrich und
Friederike Neustadtl an die Menschen, die neben ihrem Vater zur Rettung ihrer
Mutter beigetragen hatten. Sie würdigte ihren Vater als gütigen Menschen, der
echte Humanität vorgelebt habe.
Rettung aus
dem Ghetto von Kaunas
Die zweite
Ehrung ging an Tamara Jainschig und deren Mutter Ana Gembickiene. Sie halfen
bei einer Rettungsaktion im Ghetto Kaunas (Litauen). Simon Kaplan hatte dort
Fira Kupritz kennengelernt, die später seine Ehefrau wurde. Am 28. Oktober 1943
floh die Familie aus dem Ghetto. Während sich Simon und Fira Kaplan in einem
Bunker verstecken konnten, musste Firas Tochter aus erster Ehe, Anita, woanders
untergebracht gebracht werden. Das Kleinkind wurde von Tamara Gembickaite und
ihrer Mutter Ana Gembickiene aufgenommen.
Wesentlich
für das Gelingen der Rettungsaktion waren Informationen, die Tamara von ihrem
späteren Ehemann, dem aus Wien stammenden Gefreiten Franz Jainschig,
erhielt. So gelang es, Anita einem drohenden Zugriff der Gestapo zu entziehen
und bis zum Eintreffen der Roten Armee bei Tamaras Schwester Tatjana und dem
Schwager, Valentin Larionov, unterzubringen. Nach der Befreiung konnte Anita zu
ihrer Mutter zurückkehren. Alexandre
Kaplan, Sohn von Simon und Fira Kaplan, setzte die Rettungsgeschichte seiner
Eltern und seiner Schwester in einen größeren historischen
Kontext. Als er nach 1991 mit seinem Vater erstmals Kaunas besuchen konnte, sei
ihm erst richtig bewusst geworden, welcher Einsatz von allen Beteiligten
geleistet worden war, um eine solche Rettung zu bewerkstelligen. Es sei eine
Geschichte, die erzählt werden müsse. Alexander Jainschig dankte für
die Ehrung und hielt fest, dass er seine Mutter und seine Großmutter als außergewöhnliche
Menschen in Erinnerung habe, deren Menschlichkeit das Familienleben bereichert
habe.
Die
Moderation der Feierstunde übernahm Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen
Museums Wien. Die Rettungsgeschichten wurden von Walter Gellert vorgelesen. Die
musikalische Umrahmung erfolgte durch das Atmos Quartett Wien.
(Pressedienst der Parlamentsdirektion)