Gastkommentar Wiener Zeitung

Gastkommentar zum Weltfrauentag

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    Persönliche Gedanken der israelischen Botschafterin anlässlich des Weltfrauentages.

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    Botschafterin Talya Lador-Fresher Botschafterin Talya Lador-Fresher : Susanne Nuechtern
     
     
    "​In einem Ausbildungskurs für den diplomatischen Dienst vor 30 Jahren befanden sich zehn junge Männer und eine einzige Frau – nämlich ich. Als ich mich nach älteren Kolleginnen erkundigte, die es schafften, Beruf und Privatleben erfolgreich zu managen, und mit denen ich mich austauschen konnte, wurde mir gesagt: Ja, eine gäbe es . . . Bis zum damaligen Zeitpunkt, 40 Jahre nach der Gründung des Staates Israel, waren nur vier weibliche Botschafterinnen im Dienst, quasi eine pro Dekade. Seit damals hat sich viel getan. In den heutigen Kadettenkursen sind die Hälfte aller Teilnehmer Frauen, und weibliche Vorbilder sind nicht schwer zu finden. In der israelischen Botschaft in Wien sind übrigens alle Führungspositionen von Frauen besetzt.

    Die Basis für den Willen zur Gleichberechtigung in Israel wurde lange vor der eigentlichen Staatsgründung gelegt. Bereits beim ersten Zionistischen Weltkongress vor 120 Jahren waren Frauen als Abgeordnete mit dabei und konnten an Abstimmungen teilnehmen. Während der schwierigen Anfangsjahre des israelischen Staates ließ sich dann trotz dieser "egalitären DNA" die Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft nur schwer verwirklichen. Zwar wurde Golda Meir im Jahr 1969 zur Premierministerin gewählt, doch die meisten Frauen hatten sich aufgrund des gesellschaftlichen Drucks traditionellen Rollenbildern gebeugt.

    Meine Generation brachte die zweite Welle an Frauen hervor, die sich nicht mit ihrem gesellschaftlich auferlegten Status abfinden wollten. Wir waren es, die in höhere Ämter strebten und neue Bereiche in Politik und Wirtschaft erkämpften. In der aktuellen Knesset sitzen so viele Frauen wie noch nie zuvor: 27 Parlamentsabgeordnete, somit knapp 23 Prozent. Auch im Topmanagement sind mittlerweile viele Frauen vertreten, so sind drei von fünf Direktorenposten der größten israelischen Banken mit Frauen besetzt. Nach einer Gesetzesnovelle im Jahr 1993, die eine verpflichtende Frauenquote für Firmenvorstände festsetzte, stieg dort der Frauenanteil von anfänglich nur 7 auf 44 Prozent im Jahr 2010. Zwar hinkt der High-Tech-Sektor leider noch ein wenig hinterher, doch selbst hier, mit einem Drittel Frauenanteil, liegt Israel inzwischen im weltweiten Spitzenfeld.

    In einer weiteren traditionellen Männerdomäne hat schon früh die Gleichberechtigung Einzug gehalten: Vor 64 Jahren wurde in Israel ein Gesetz verabschiedet, das vorsieht, dass auch Frauen Militärdienst leisten müssen. Mittlerweile sind sie in vielen Bereichen der Armee vertreten und leisten als Kampfpilotinnen, Technikerinnen und auch in gemischt-geschlechtlichen Infanterieeinheiten ihren Beitrag zur Sicherheit der Zivilbevölkerung in Israel.

    Vor einem Monat hat meine Tochter Netta ihren zweijährigen Militärdienst beendet. Jetzt, wo sie ihre nächsten Schritte ins Erwachsenenleben unternimmt, wünsche ich ihr und ihrer Generation von Frauen – in Israel, in Österreich und weltweit –, dass sie entschlossen jenen Weg fortsetzen, den wir ihnen geebnet haben, und dass sie mit Zuversicht allen Herausforderungen entgegentreten, welche die Zukunft für sie bereithält."

    (Wiener Zeitung, 8.3.2017)