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Ich nehme an, dass niemand im Amt des Ministerpräsidenten von den Interviews überrascht war, die Präsident Shimon Peres im Fernsehen gegeben hat. Man muss nicht Journalist sein, sondern nur aufmerksamer Zeitungsleser, um zu wissen, dass Peres, der als Präsident regelmäßig vom Sicherheitsapparat über die Lage informiert wird, zu den aktivsten Gegnern eines israelischen Angriffs auf den Iran gehört, solange die USA ihn nicht befürworten.
Bis gestern war das einzige, was Peres noch nicht getan hatte, seine Meinung laut auszusprechen. Gestern hat Peres gesprochen, sei es wegen der Gelegenheit, die ihm sein 89. Geburtstag bot, sei es, weil er das Gefühl hatte, es sei die letzte Chance, noch Einfluss zu nehmen. Netanyahu hat durch seine Vertrauten mit voller Kraft zurückgeschossen, vom irakischen Reaktor bis hin zur Abkoppelung vom Gazastreifen. Abgesehen von der Tatsache, dass das Amt des Ministerpräsidenten durch jede Nachricht unter Druck gerät, gibt es hier auch eine seit langen Jahren offene Rechnung zwischen den beiden. Netanyahu hat Grund aufzubegehren.
Im März dieses Jahres hat US-Präsident Barack Obama während einer USA-Reise Netanyahus die Popularität Peres‘ und seine Aussagen gegen den Ministerpräsidenten gewendet. Ich habe damals gedacht und auch geschrieben, dass Peres von der ihm als Präsident zustehenden Rolle abweicht und sich in den Staatsbesuch des Ministerpräsidenten einmischt, der sich gerade in sensiblen Verhandlungen mit der US-Regierung zu einem kritischen Thema befand. Dies Mal ist Netanyahu in Israel, die Diskussion erreicht jedes Haus, und wer für den Sturm in den Medien der vergangenen Wochen gesorgt hat, sind der Ministerpräsident und der Verteidigungsminister selbst, die im März die Journalisten gebrieft haben.
Man kann die Meinung vertreten, der Präsident solle sich zu solchen Themen überhaupt nicht äußern – oder, um es mit Chaiym Weizman zu sagen: Das einzige, in das er seine Nase stecken sollte, ist sein Taschentuch. Meiner Meinung nach sind Peres‘ gestrige Aussagen etwas anderes. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, und soweit wir wissen, ist in letzter Zeit eine Aktion zum Thema Iran auch nicht diskutiert worden.
Der Präsident hat ausdrücklich die Entscheidungsgewalt der politischen Ebene gewürdigt. Und in dem, was er gesagt hat, steckte nichts neues, sondern einzig eine grundsätzliche Haltung, die er aus etwas zieht, das niemand in Frage stellt: Auch der Ministerpräsident und der Verteidigungsminister behaupten nicht, dass Israel im Stande ist, das iranische Atomprogramm aufzuhalten. Eine politische Klasse, die sich ihrer selbst sicher wäre, die überzeugt wäre, dass sie eine historisch richtige Entscheidung fällt, hätte die Aussagen Peres‘ unter der Kategorie „Interessant, aber nicht wichtig“ abgehakt und sich nicht beirren lassen. Wer reagiert, indem er an die Toten von Oslo erinnert, hört sich nicht so an, als sei er sich seiner Sache so sicher. Das Büro Ehud Baraks beispielsweise hat sich seine Zurückhaltung bewahrt und sich einer öffentlichen Reaktion enthalten.
Man darf annehmen, dass Netanyahu das Gefühl hat, er sei umgeben von etwas, das für ihn und seine Unterstützer wie eine Delegitimierungs-Kampagne aussieht, die von fremden Erwägungen getrieben ist. Sogar in den Hinterzimmern der Macht leugnen die Presseleute der Regierung nicht, dass aus Sicherheitskreisen einstimmig der Nutzen eines unkoordinierten Angriffs in Frage gestellt und die Sorge geäußert wird, dass so die iranischer Bombe eher beschleunigt als aufgehalten würde – nicht zu sprechen vom zusätzlichen Preis, der zu zahlen wäre.
In Umfragen ist die öffentliche Meinung dagegen, die politische Gegenwehr zeigt langsam Wirkung. Die gestrige Rede von Shaul Mofaz in der Knesset war besonders kämpferisch. Man kann sagen, Mofaz spreche eben jetzt aus der Opposition, und wenn er noch in der Regierung säße, würde er sich ganz anders anhören. Was man aber nicht sagen kann, ist, wie es Meir Dagan und andere behauptet haben, er kennte schon nicht mehr alle Details.
Netanyahu war es, der das Thema Iran zu einer Frage katastrophalen Ausmaßes gemacht hat. Er ist es, der von Deutschland 1939 spricht, er ist es, der behauptet, alle anderen Bedrohungen sähen dagegen klein aus. Angesichts einer Bedrohung solcher Größenordnung hat auch der Präsident das Recht zu sprechen. Das bedeutet nicht, dass nicht der, der dazu autorisiert ist, die Entscheidungen zu treffen, sie nicht auch letztendlich treffen wird – es bedeutet lediglich, dass er abwägender und nüchterner wirken sollte als der Ministerpräsident gestern aussah, als der Staatsbürger Nummer eins die Nase aus dem Taschentuch gezogen hat.