Premierminister Yair Lapid traf am Montag (12.9.) im Rahmen seines diplomatischen Besuchs in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Nach einem privaten Termin wandten sie sich gemeinsam an die Presse. Premierminister Lapid sagte:
"Mein Freund, Bundeskanzler Scholz,
meine Damen und Herren,
ich bin der Sohn von Tommy Lapid, einem Holocaust-Überlebenden aus dem Budapester Ghetto.
Ich bin der Enkel von Bela Lampel, der im Konzentrationslager Mauthausen ermordet wurde.
Und jetzt stehe ich hier auf deutschem Boden als Premierminister des jüdischen Staates.
Später am Tag werden der Bundeskanzler und ich zum Haus der Wannsee-Konferenz reisen, wo die berüchtigte Konferenz stattfand.
Dort wurde die 'Endlösung der Judenfrage' geplant.
Das Ergebnis dieser Konferenz war, dass die Todeslager gebaut wurden.
Wir werden dort mit Überlebenden des Holocaust und ihren Enkelkindern zusammentreffen, die eigens aus Israel angereist sind.
Dies ist ein großer Sieg für sie.
Sie haben überlebt, sie haben ein unabhängiges und starkes Land aufgebaut.
Sie kehren hocherhobenen Hauptes als freie Menschen hierher zurück.
Ich kann mir vorstellen, dass dies ein schwieriges Treffen für Sie ist, Herr Bundeskanzler.
Ich weiß Ihre Zivilcourage und Ihre Bereitschaft, an diesem Treffen teilzunehmen, sehr zu schätzen.
Die tiefen Bindungen zwischen unseren Ländern, Herr Bundeskanzler, sind der Beweis dafür, dass die Menschheit immer eine Wahl hat.
Das Böse kann durch Freundschaft ersetzt werden.
Brutalität kann durch menschliche Freundlichkeit und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit ersetzt werden.
Ich weiß, Herr Bundeskanzler, dass Sie sich zutiefst für die richtige Entscheidung einsetzen.
Erst gestern haben unsere beiden Länder eine wichtige Absichtserklärung zum Jugendaustausch unterzeichnet.
Und dieser Besuch dient dazu, die letzten Details eines strategischen Partnerschaftsabkommens zwischen Israel und Deutschland abzuschließen.
Er schließt sich an den strategischen Dialog zwischen unseren Teams in Jerusalem an.
Diese Partnerschaft hat wirtschaftliche und sicherheitspolitische Vorteile.
Sie ist ein praktischer Ausdruck des deutschen Engagements für die Sicherheit Israels als jüdischer und demokratischer Staat, ein Engagement, das Sie bei Ihrem Amtsantritt bekräftigt haben.
Israel wird seinerseits eine Rolle beim Aufbau der neuen deutschen Verteidigungskräfte spielen, vor allem im Bereich der Luftverteidigung.
Einige werden sicherlich sagen, dass eine militärische Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel eine historische Ironie ist...
Ich halte sie für einen Beweis dafür, dass wir die notwendigen Konsequenzen aus der Vergangenheit gezogen haben:
Mit Reden lässt sich das Böse nicht aufhalten.
Liberale Demokratien müssen bereit und in der Lage sein, sich zu verteidigen.
Manchmal muss die Freiheit auch mit Gewalt verteidigt werden.
Unsere Partnerschaft erfordert auch ein gemeinsames Vorgehen gegen die wachsende Gefahr, dass der Iran zu einem Atomstaat wird.
Deutschland gehört zu den E3-Staaten und hat damit auch Verantwortung übernommen.
Ich habe dem Bundeskanzler sensible und relevante nachrichtendienstliche Informationen zu diesem Thema vorgelegt.
Wie immer in unseren engen Beziehungen zu Deutschland wurde uns volle Aufmerksamkeit und volle Zusammenarbeit zuteil.
Ich habe die Erklärung Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs zum JCPOA (Atomabkommen mit Iran) begrüßt. Es ist an der Zeit, die gescheiterten Verhandlungen mit dem Iran hinter sich zu lassen. Sie können und werden das Ziel, das wir alle teilen, nicht erreichen - nämlich zu verhindern, dass der Iran eine Atomwaffe erhält.
Wir haben über die Notwendigkeit einer neuen Strategie diskutiert, um das iranische Atomprogramm zu stoppen.
Ein nuklear bewaffneter Iran würde den Nahen Osten destabilisieren und ein nukleares Wettrüsten auslösen, das die ganze Welt gefährden würde.
Eine Rückkehr zum Atomabkommen wäre unter den derzeitigen Bedingungen ein schwerer Fehler.
Die Aufhebung der Sanktionen und die Weitergabe von Hunderten von Milliarden Dollar an den Iran werden nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Europa zu einer Welle des Terrorismus führen.
Es gibt einen anderen Weg. Einen besseren Weg für den Nahen Osten. Es ist der Weg des Abraham-Abkommens und des Negev-Forums. Ein Weg, der auf einer gemeinsamen Vision für die Region beruht. Eine Vision nicht von Krieg, Extremismus und Terrorismus, sondern von Frieden, Toleranz und Zusammenarbeit.
Unsere Hand ist ausgestreckt für den Frieden, mit all unseren Nachbarn. Und das wird sie immer sein.
Herr Bundeskanzler Scholz, mein Freund,
ich danke Ihnen für Ihren herzlichen Empfang hier in Berlin. Während wir uns an unsere Vergangenheit erinnern, freue ich mich darauf, unsere gemeinsame Vision für die Zukunft weiter zu verfolgen.
Ich danke Ihnen."
(Amt des Premierministers, 12.9.2022)