Von Ari Shavit, Haaretz, 10.05.12
In den 1970er Jahren versprach Menachem Begin, er werde nicht auf den Sinai verzichten und dort sogar sein Haus errichten. Ein halbes Jahr, nachdem er zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, verzichtete Begin auf den Sinai.
Im Sommer 1992 besuchte Yitzhak Rabin die Golanhöhen und versprach ihren Bewohnern, dass er sich niemals vom Golan zurückziehen werde. Ein Jahr später bot Rabin dem syrischen Präsidenten Hafez al-Assad an, Israel werde sich vom gesamten Golan zurückziehen.
Am Vorabend der Wahlen 2003 legte Ariel Sharon fest, dass in Netzarim im Gazastreifen dasselbe Recht zu gelten habe wie in Tel Aviv. Zwei Jahre später ließ Sharon Netzarim zerstören.
Im Herbst 2005 kandidierte Shimon Peres für den Vorsitz der Arbeitspartei und schwor ihr dabei seine Treue. Nur drei Wochen später schloss Peres sich der Partei Kadima an und verursachte damit den Zusammenbruch derjenigen Partei, deren Mitglied er sein ganzes Leben lang gewesen war und der er eben noch die Treue geschworen hatte.
Jeder dieser vier Wortbrüche und Verletzungen von Prinzipien wurde belohnt und das nicht zufällig. Jahrzehntelang sehnte sich die Linke in Israel nach einem brutalen Führer im Stile de Gaulles, der seine eigenen Grundsätze verletzt, seine Wähler betrügt und dann die Ideologie seines politischen Gegners umsetzt. Aus diesem Grund wurde jeder rechte Politiker oder Politiker mit Armee-Vergangenheit, der diese Fantasien umsetzte, auf Schultern getragen.
Als der national eingestellte Begin sein Wort brach, wurde er gefeiert. Als der Falke Rabin sein Wort brach, wurde er zum Helden des Friedens. Nachdem der auf Stärke setzende Sharon sein Wort gebrochen hatte, wurde er von den Medien in Watte gepackt. Sogar als der verhasste Peres sein Wort brach, wurde er zum Liebling der Massen und erlangte späte Anerkennung.
Jeder Wortbruch, der dem Frieden, also der Linken diente, gilt in Israel als Zeichen des Heldentums. Auch wenn diese Schritte weder ehrlich noch demokratisch legitimiert waren, haben sie denen, die sie ausführten doch den Status großer Staatsmänner beschert.
Shaul Mofaz hat sein Wort gebrochen, aber er hat nicht seine Grundsätze verletzt. Sein wichtigster politischer Grundsatz war schon lange bekannt: Er wollte eine zionistische große Koalition der Mitte bilden, die Israel wieder zu Sinnen bringen sollte.
Damit unterscheidet sich seine Grundsatzpolitik nicht wesentlich von der von Shelly Yachimovitch oder Yair Lapid. Jedem Kommentator in Israel war klar, dass sich sowohl Kadima, als auch die Arbeitspartei als auch Lapid, trotz aller großen Reden zuvor nach den Wahlen einer Regierung von Binyamin Netanyahu anschließen würden. Sowohl der General, als auch die Sozialdemokratin, als auch das junge Talent hofften, sie könnten Netanyahu aus den Fängen der Siedler und Orthodoxen befreien und in die politische Mitte zurückholen.
Der ehemalige Generalstabschef ist also den ehemaligen Stars des zweiten Fernsehprogramms lediglich zuvorgekommen. Es wurden keinerlei Werte verletzt und keine Prinzipien verkauft. Sicher, Mofaz muss einige Worte wieder herunterschlucken, die er kürzlich gesagt hat, doch er ist sich selbst in sehr viel größerem Maße treu geblieben als Begin, Rabin, Sharon und Peres.
Wer die Kehrtwendungen aschkenasischer Politiker der Vergangenheit bejubelt hat und nun das bloße Taktieren eines persischen Politikers der Gegenwart verdammt, ist im besten Fall scheinheilig. Im schlimmsten Fall ist er ein Rassist.
Die wichtige Frage ist nun die nach der Zukunft. Die israelische Demokratie ist krank: Sie repräsentiert nicht die Mehrheit, sie schützt nicht die Minderheit, und sie ermöglicht der Regierung nicht zu regieren. So kann man weder Frieden schaffen, noch im Krieg bestehen, noch einen echten gesellschaftlich-ökonomischen Wandel herbeiführen. Daher ist das, was Netanyahu und Mofaz diese Woche getan haben, so wichtig. Sie haben eine Gelegenheit für einen Wechsel des Wahlsystems geschaffen, wie es sie bisher noch nicht gegeben hat und auch nicht mehr geben wird. Sie sind jetzt verpflichtet, diese Gelegenheit auch zu nutzen.
Mofaz kann seinen Namen nicht durch kleine Worte, sondern nur durch große Taten reinwaschen. Wenn es ihm gelingt, hier funktionierende demokratische Mechanismen aufzubauen, wird der vielgescholtene wieder an Glaubwürdigkeit und Wertschätzung gewinnen. Und wer weiß, am Ende wird er vielleicht sogar den Hass der Scheinheiligen und Rassisten bremsen.
Der Autor ist Journalist und Publizist.
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