Von Yehiel Shabi, Israel ha-Yom, 14.05.12
Werden sich am Nakba-Tag Tausende palästinensische Flüchtlinge an den Grenzzäunen mit Syrien, dem Libanon und Jordanien versammeln? Und was wird aus der Nakba-Zeremonie an der Universität Tel Aviv? Ob es zu Ausschreitungen kommen wird oder nicht, ob Zeremonien abgehalten werden oder nicht, eines steht fest: Das palästinensische Narrativ bedroht das zionistische.
Die Nakba ist ein zentraler Bestandteil im Leben der arabischen Israelis. Sie führen verschiedene Aktivitäten rund um die verlassenen Orte durch, so z.B. Dokumentation, Besuche, Sanierung und die Forderung nach einer Rückkehr. Am letzten Unabhängigkeitstag beispielsweise haben Hunderte von Arabern und Anhänger linker Organisationen das verlassene Dorf Sheikh Munis besucht und für ein Recht auf Rückkehr demonstriert.
Das Gedenken ist legitim, doch das Streben nach Rückkehr an Orte, die verlassen wurden, läuft Gefahr, das Gleichgewicht zwischen den Völkern zu stören. Dem Frieden wird es uns nicht näherbringen.
Saffuriya ist ein arabisches Dorf bei Nazareth. Während des Unabhängigkeitskrieges haben seine Bewohner es verlassen und sind nach Nazareth gezogen. Nach dem Krieg wurde ihnen nicht gestattet, in ihr Dorf zurückzukehren. Sie wurden stattdessen in einem Stadtviertel mit dem Namen Safafira angesiedelt. Auf dem Land des Dorfes entstand der Kibbuz Zippori. Die ehemaligen Bewohner des Dorfes glauben, basierend auf der UN-Resolution 194, an ihr Recht auf Rückkehr. Jedes Jahr am Nakba-Tag besuchen die Bewohner die Reste des Dorfes und geben so das Erbe des Dorfes an die junge Generation weiter. Das ist Realität. Die Erinnerung stirbt nicht. Auch nicht die Hoffnung auf Rückkehr. Noch nicht einmal heute.
Zippora ist nur ein Bespiel. Wegen der Kämpfe des Unabhängigkeitskrieges fanden sich etwa 20.000 Araber heimatlos wieder. Heute sind sie bereits 300.000 Menschen! In Israel gibt es etwa 450 verlassene Dörfer. Auf dem Land des größten Teils von ihnen befinden sich heute landwirtschaftliche Siedlungen, auf dem Land der übrigen urbane Stadtteile wie Ramat Aviv, Ibn Gabirol oder Tel Giborim.
Israel und die Araber müssen ja zum Gedenken sagen, doch nein zur Rückkehr. Ja zur Anerkennung der Ereignisse der Vergangenheit – doch auf beiden Seiten. Das arabische Narrativ spricht von einer entwurzelten Bevölkerung, doch es vergisst, dass im Laufe der Jahre auch Juden etwa aus Peki‘in, Kfar Yassif und Hebron ihr Häuser verloren haben – und auch in Gaza, wo noch eine Synagoge übriggeblieben ist.
Man kann Menschen nicht daran hindern zu gedenken – doch die Erinnerung sollte dabei genau sein: Bereits in der Mandatszeit haben die Araber behauptet, die Juden seien ein fremder Eindringling und waren gegen jüdische Emigration nach Palästina, obwohl diese ihre wirtschaftliche Situation verbesserte. Sie haben das Land mit mehreren muslimischen Migrationswellen aus allen Ländern der Region überschwemmt, deren Herkunft bis heute in den Familiennamen erhalten geblieben ist: Masri (Ägypten), Yamani (Yemen), Al-Hindi (Indien), Halabi (Aleppo/Syrien) und Mughrabi (Marokko).
Das arabische Narrativ erinnert nicht an die Flucht der Juden aus Hebron und Gaza nach den Unruhen, wo sie über Generationen gelebt hatten. Und auch nicht daran, dass die arabischen Anführer die Araber in Palästina dazu aufgerufen haben, ihre Häuser für einige Tage zu verlassen, damit währenddessen die jüdische Gemeinde vernichtet werden könnte.
Es erinnert auch niemand an die Katastrophe der Juden aus den arabischen Ländern, die ihre Häuser, ihren Besitz, ihren gesellschaftlichen Stand, ihre Kultur und jahrtausendealte Tradition aus Sorge vor einer Shoah durch ihre arabischen Nachbarn aufgegeben haben. Wenn israelische Ortschaften wie Achihud, Raanana und Kiriyat Shmona mit dem Namen mustautanāt, Siedlungen, bezeichnet werden, kann dann noch jemand an die Zweistaatenlösung glauben..?
Solange unsere kollektive nationale Erinnerung noch nicht auf Gegenseitigkeit und Toleranz gebaut ist, eine Erinnerung, die die Vergangenheit des Anderen und sein Recht auf die Heimat anerkennt, müssen wir mit jedem „unschuldigen Schritt“ von humanitärer und symbolischer Aktion vorsichtig sein. Sonst wachen wir eines Tages neben einem Wolf im Schafspelz auf, der von Gedenken spricht, doch eigentlich den jüdischen Charakter des Staates ändern möchte.
Wir müssen das Recht des Anderen auf Gedenken bewahren, doch wir müssen uns selber davor bewahren, dass das Gedenken zu einer Legitimierung des Rechtes auf Rückkehr führt.
Die Störung des demographischen Gleichgewichts in Israel durch die Aufnahme von Flüchtlingen oder die Ansiedlung von ehemaligen Bewohnern in heute existierenden jüdischen Siedlungen steht nicht zur Debatte – und das darf sie auch nicht.
Der Autor ist Nahost-Experte.
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