Über den Tellerrand
Von Amos Regev, Israel ha-Yom, 09.05.12
Kurz vor dem Zusammenbruch, als das Raumschiff kurz vor dem Absturz stand und der Kapitän und die Mannschaft dem sicheren Tod geweiht schienen, zog der Kadett Kirk den Stecker des Computers heraus, und die Lichter im Trainingsraum gingen an. Der Kadett Kirk und spätere Kapitän des Raumschiff Enterprise war damit der erste, dem es gelang, den Offizierskurs lebend zu verlassen. Alle seine Vorgänger waren in der Prüfung abgestürzt, die auf der Annahme einer „No win“-Situation basierte. Der Kadett Kirk änderte die Spielregeln und blieb nicht nur am Leben, sondern ging auch noch als Sieger aus der Situation hervor.
Dies ist, in aller Kürze, der Inhalt einer Stark Trek-Episode, und auf diese Lehre lässt sich auch der Coup verkürzen, der Ministerpräsident Binyamin Netanyahu und dem Kadima-Vorsitzenden Shaul Mofaz gestern gelungen ist. Sie sahen sich selbst in einem Spiel, dessen Regeln andere, nämlich Interessengruppen, Politiker und Journalisten, ihnen diktieren wollten.
Im Zuge dieses Spiels sollte Mofaz in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, Netanyahu ausgespielt werden, und andere wollten die Helden des Tages werden. Doch was taten Netanyahu und Mofaz? Sie zogen den Stecker heraus, änderten die Spielregeln und gewannen.
Zunächst zu Mofaz: Nur einen Monat nach den Wahlen um den Parteivorsitz, bei denen er in einem demokratischen Akt seine Gegnerin besiegt hatte, fand er sich selbst kurz vor dem Todesstoß durch seine politischen Gegner. Es sah schon so aus, als stünde Tzipi Livni unterstützt von Interessengruppen und Journalisten erneut als Hoffnungsträgerin bereit. In letzter Sekunde deutete Mofaz die Bilder aus der Schlacht richtig und tat das einzig mögliche, um sein Überleben zu retten. Was hatte man denn erwartet? Dass er sich umbringt, während die Zuschauer ihm mit „Bravo, Captain“ salutieren?
Netanyahu ist aus einer anderen Richtung auf das Schlachtfeld gekommen. Zwar schmeichelten ihm alle Umfragen, doch vor ihm lag vermintes Gelände, sowohl im Sicherheitsbereich, als auch in der Wirtschaft und innerparteilich. Mehr als alles andere schadeten ihm die Unsicherheit beim Thema Iran und die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa. Er wollte von Anfang an Stabilität, um sich der wichtigen Themen annehmen zu können. Andere wollten ihn zu Neuwahlen drängen, indem sie immer mehr Wellen schlugen, in der Hoffnung, er käme darin um.
Und so kam es zur Verbindung Netanyahu-Mofaz, so entstand die Regierung der nationalen Einheit. Gerade die Schiffe derer, die die Spielregeln diktieren wollten, sind es, die letztendlich untergegangen sind. So mussten die großen Experten der Zeitungs- und Nachrichtenredaktionen zugeben, dass sie trotz all ihrem Insiderwissen in diesem Fall keinen blassen Schimmer davon hatten, was passieren würde. Dass die Hauptdarsteller die Rollen nicht spielen wollten, die ihnen andere zugewiesen hatten und einfach den Stecker herausgezogen haben. Sie haben über den Tellerrand hinausgeblickt, ganz wie Captain Kirk.
Und übrigens: Es wird den politischen Korrespondenten das Herz brechen, aber dieser Schritt ist gut für den Staat Israel, die israelische Öffentlichkeit und bietet beinahe auf jedem Gebiet neue Möglichkeiten. Stabilität ist Instabilität immer vorzuziehen, außer, wenn man alles einreißen und eine völlig neue Weltordnung aufbauen will. Das kann man natürlich gerne tun – aber erst bei den nächsten Wahlen.
Der Autor ist Chefredakteur von „Israel ha-Yom“.
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