Fußball ja, aber ohne Kommentatoren
Von Tamir Cohen, Haaretz, 16.04.12
Es fällt mir schwer, diesen Text zu schreiben. Es fällt mir schwer zu erklären, warum der Sportkanal, trotz aller Sensibilität und der Wichtigkeit der Gedenktage, die Halbfinalspiele der Champions League ausstrahlen sollte, die an den Vorabenden des Holocaustgedenktages und des Gedenktag für die Gefallenen der Kriege Israels stattfinden. Es fällt mir schwer, gegen das Israelisch-Sein zu Felde zu ziehen, das vor allem die Toten heiligt; es fällt mir schwer zu schreiben, warum das Anschauen eines Fußballspiels nichts mit dem Erinnern und dem Respekt gegenüber den Freunden zu tun hat, auf deren Beerdigungen ich anwesend war. Es fällt mir schwer. Aber noch schwerer fällt mir, darauf zu verzichten, diese Entscheidung selbst treffen zu können. Denn das tun viel zu viele jeden Tag.
Der Sportkanal ist verpflichtet, seinen Kunden einen angemessenen Inhalt für den horrenden Preis bieten, den er für das Sportpaket fordert. Das bedeutet nicht, dass er an Tagen, die eine besondere Sensibilität erfordern, business as usual fahren sollte (oder könnte), aber es gibt keinen Grund dafür, nur ein Standbild zu senden. An den Gedenktagen muss ein Sonderprogramm gesendet werden, bestehend etwa aus Dokumentarfilmen, Interviews mit Holocaustüberlebenden, Sendungen zur Rolle des Sports beim Verlust von Angehörigen oder ähnlichem.
Die Vorschriften für Kabel- und Satellitenfernsehen besagen, dass an Feier- und Gedenktagen keine Spiele mit Beteiligung israelischer Teams ausgestrahlt werden dürfen. Über Anträge auf Ausstrahlung von Spielen ausländischer Mannschaften wird von Fall zu Fall entschieden. Das Gesetz erklärt hierzu: "Der Betreiber gewährleistet an Feier-, Gedenk- und Trauertagen ein Programm, das ihrem Charakter entspricht". Der Sportsender hat noch nicht einmal einen Antrag auf Ausstrahlung der Champions League-Halbfinalspiele gestellt. Und auch, wenn er sich gegen die Übertragung der Spiele im Fernsehen entscheidet, bliebe immer noch die Möglichkeit einer Übertragung im Internet – eine durchaus angemessene Alternative, die die Gedenktage würdigt und respektiert.
Das Standbild ist die einfachste Lösung. Es sagt: "Wenn ihr wissen wollt, was beim Spiel passiert ist, schaut doch im Internet nach", das Internet ist ja schließlich von der nationalen Trauer befreit. Was man den zehntausenden Sportbegeisterten im Land sagt, ist also nicht nur, ob und wann sie trauern und gedenken sollen, sondern auch wie.
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Ein moderner Sportsender hätte seinen Zuschauern eine angemessene Alternative angeboten – die Übertragung des Spiels ohne Kommentatoren und ohne Expertenrunde in der Halbzeit. Einfach nur eine Übertragung des Spiels eben, mit der Stadionakustik. Eine Ausstrahlung zu einem späteren Zeitpunkt wird das Gefühl des "Wer sind die, dass sie mir vorschreiben wollen, wie ich zu trauern habe", nicht verhindern.
Im vergangenen Monat ist bei mir einmal für drei Tage der Fernseher ausgefallen. Ich habe den Anbieter angerufen, der mir die anteilige Gebühr erstattet hat. Vielleicht werde ich das auch tun, wenn ich nun wieder an zwei Tagen das Standbild sehe. Das macht mich nicht reicher, aber vielleicht ein kleines bisschen weniger frustriert. Und die, die dafür verantwortlich sind, verstehen vielleicht, dass auch die passiven Zuschauer manchmal aktiv werden können. Ohne aus ihrem Fernsehsessel aufzustehen, versteht sich.
Der Autor ist Journalist
Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.
Lesen Sie hierzu auch den zweiten Kommentar "Der innere Kompass funktioniert noch".