Von Alexander Yakobson, Haaretz, 01.02.12
Wie stolz sind die israelischen Araber darauf, Israelis zu sein? Angesichts der gegenwärtigen Atmosphäre im Land klingt diese Frage wie eine Provokation – als wolle man die Minderheit jetzt noch verspotten.
Doch Umfragen, in denen die arabische Bevölkerung gebeten wird, diese und ähnliche Fragen zu beantworten, zeigen immer wieder ein Bild, das viele überraschen wird. Und nicht nur das: Denn auch wenn Bürgerrechte nicht nach den Sympathien vergeben werden, die jemand für den eigenen Staat hegt, hat es noch keiner Minderheit in der Welt geholfen, sie als dem Staat gegenüber feindlicher – sehr viel feindlicher – darzustellen, als sie es tatsächlich ist.
Wenn diejenigen, die einer Gruppe Schlechtes wollen, sie als staatsfeindlich hinstellen, ist das zwar zu verurteilen, erscheint jedoch logisch – wenn es allerdings die Vertreter der jeweiligen Gruppe selbst tun, ist das ein größeres Problem.
Laut dem "Demokratie-Index 2011" des Israelischen Instituts für Demokratie, beantworten 52,8% der arabischen Staatsbürger (und 88% der jüdischen) die Frage, ob sie stolz seien, Israelis zu sein, positiv.
Nur 28,3% der Befragten, erklärten, sie seien "überhaupt nicht stolz", Israelis zu sein. Diese Einstellung, hinter der also weniger als ein Drittel der Araber in Israel steht, entspricht aber beinahe 100% der Aussagen, die im Namen der arabischen Israelis in der Öffentlichkeit gemacht werden.
Die Ergebnisse der Umfrage sind überhaupt nicht außergewöhnlich. 2009 etwa, eine Woche nach Ende der Operation "Gegossenes Blei" im Gazastreifen, haben 45% der arabischen Befragten erklärt, sie seien stolz Israelis zu sein. Ein Jahr zuvor waren es 53%.
Bei einem Gespräch mit britischen Journalisten, die mich, zu Recht, äußerst kritisch zur Situation der israelischen Araber befragten, fragte ich einmal, ob ihrer Einschätzung nach 45% der Katholiken in Nordirland dem Satz "Ich bin stolz, Brite zu sein", zustimmen würden. Einer der Journalisten antwortete: "Ich glaube nicht, dass es auch nur 45 Katholiken in Nordirland gibt, die diesen Satz aussprechen würde – von 45% gar nicht zu sprechen."
Der Stolz, Israeli zu sein, bedeutet natürlich nicht, das Establishment nicht auch aufs schärfste zu kritisieren. Nur 24,5% der Araber vertrauen gemäß der Umfrage von 2011 dem Ministerpräsidenten, 35,5% der Regierung als Institution, 44% der Knesset, 39% der israelischen Polizei, 45,6% der Staatsanwaltschaft, 50% dem Rechtsberater der Regierung und 69,4% (beinahe genauso viele wie unter jüdischen Israelis) dem Obersten Gerichtshof. 41% der arabischen Befragten vertrauen den Israelischen Verteidigungsstreitkräften, und 45% stimmen zu, dass es "wichtig oder sehr wichtig" ist, die israelische militärische Schlagkraft zu stärken.
Wer hätte wohl in der jüdischen Öffentlichkeit vermutet, dass es wesentlich mehr israelische Araber gibt, denen die Stärkung der israelischen Schlagkraft wichtig ist, als solche, denen sie "überhaupt nicht wichtig" ist (29%)?
Sind diese Antworten glaubwürdig? Vor etwa zwei Jahren habe ich eine Umfrage gelesen, in der ein Großteil der Wähler der arabischen Parteien, einschließlich Wähler von Balad, erklärt haben, sie seien israelische Patrioten. Wer dem Fragensteller gegenüber sagt, er wähle Balad, versucht nicht, sich bei den Juden einzuschmeicheln. Israelischer Stolz ist eine sehr starke Aussage – wesentlich stärker als "Treue", von der in diesen Tagen so viel die Rede ist.
Doch wie verträgt sich eigentlich eine solche Einstellung mit der sehr verbreiteten Wahl von arabischen Parteien, die das Gegenteil behaupten?
Es scheint, dass die arabische Öffentlichkeit dem Staat grundsätzlich ambivalent gegenüber steht.
Unter den gegebenen Umständen ist diese Ambivalenz eine gute Nachricht. Die gewählte Führung dieser Öffentlichkeit spiegelt die negative Seite dieser Ambivalenz wider – und zwar ausschließlich. Nicht eine Stimme in der Öffentlichkeit vertritt ihre positive Seite. Es ist im Interesse der arabischen Öffentlichkeit und der israelischen Gesellschaft überhaupt, dass eine solche Stimme in Zukunft zu hören sein wird.
Der Autor ist Historiker und Publizist.
Die auf der Website veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.